31.05.2020
Wie ein Buchhalter mache ich heute Abend den Monatsabschluss. Meine Zahlen gefallen mir gut, denn so viel wie in den letzten drei Monaten war ich selten noch auf den Beinen. Joggen meine ich. Begünstigt durch einen Arbeitsweg von drei Sekunden, dem abruptem Ende der Skisaison und gutem oder zumindest stabilem Wetter zog es mich häufig in die Berge. Oder auch mal auf einen kleineren Hoger. So kamen eben deutlich mehr Kilometer und vor allem mehr Höhenmeter zu Stande als in anderen Jahren zum selbigen Zeitpunkt.
|
Brüggli Variante uno |
Vergangene Woche hatte ich grosses Glück mit Steinböcken am Niederhorn. So gut es mir dort gefällt, solches Glück hätte ich heute wohl kaum wieder, weswegen ich mir heute eine andere Route aussuche. Eine vermeintlich unscheinbare solls sein, und zwar von Mülenen via Suld auf die Wätterlatte und via andere Seite retour nach Mülenen. Vermutlich hätte ich es ohne OneMillion-Run heute nicht in die Laufschuhe geschafft... Egal, ich starte also in Mülenen mit halbvollem Trinkbeutel. Das Scheissding
süderet, ist
alben gäbig, wenn einem Flüssigkeit in die Ritze läuft. Damit das eben nicht passiert, habe ich die Idee schlechthin: Regenjacken sind ja da, um Wasser vor dem Eindringen abzuwehren. Also packe ich den Trinkbeutel in die Regenjacke ein. Siehe da, heute ruft mir tatsächlich keiner mehr «Schweissarsch» zu. Problem fixed.
|
Brüggli Variane due |
Dem Suldbach entlang komme ich anfangs richtig zügig vorwärts, so über einen flachen Kiesweg kann man gut Tempo machen. Die Sonnencreme läuft in meinen Mund und sorgt dafür, dass das Hungergefühl verschwindet. Praktisch. Das leichte Auf und Ab dem Bach entlang macht richtig Spass. Mit jedem Kilometer weiter ins Tal hinein nehmen die Touristen zu. Gleichzeitig nimmt das Rauschen des Bachs langsam ab. Über charmante Brücklein geht's immer in Richtung Morgenberghorn. Mal sind es Büsche, mal sind es Wanderer die ich «füüüzle». Der Begriff kommt vom diesjährigen Lauberhornsieger Beat Feuz, der
im Kernern-S die Sicherheitsabsperrungen genauso wie ein übliches Tor mit der Schulter touchierte. «Füüüzle» eben.
|
Enspurt kurz unterhalb Renggpass |
Nach 46 Minuten oder gut 8 Kilometern (gut = grosszügig) erreiche ich den Suld. Es riecht hier prächtig nach Grillade. Zu gerne würde ich mich dazu gesellen. Ab hier ziehts wieder so giftig wie schon die letzten Tage. Wegen der Bise führe ich eine On-Off-Beziehung zu meinem Überzieher, weswegen ich alle dutzend Minuten hin und her wechsle zwischen Lang- und Kurzarmbekleidung. Mal zu heiss, mal zu frisch - nervige Sache. Jedenfalls hängt beim Bauernhof frisch gewaschene Wäsche, aber nicht irgendwo, sondern direkt neben einem Saustall. Ideal. Nun widme ich meine Aufmerksamkeit mehr dem Weglein hinauf zum Renggpass. Zuerst über eine Wiese, dann in eine leichte Steigung einmündend beginnen die Höhenmeter. Irgendwann müssen sie ja kommen. Nach einer ersten flacheren Treppe nehme ich auch die zweite steilere Treppe noch rennend. So steil die nächsten Meter auch sind, so schnell sind sie vorbei. Denn der weitere Wegverlauf ausserhalb des Waldes lässt einem schon die Höhe des Renggpass ersehen, was einerseits motivierend ist, anderseits flacht das Weglein tatsächlich ab und macht somit die Sache leichter als erwartet. Puls 153.
|
nom nom |
Erst gegen Ende der Steigung nimmt dann die Steilheit nochmals kurz zu, ziemlich souverän konnte ich da hochtraben. Wie weit es bis zur Wätterlatte noch ist, weiss ich nicht wirklich. Erst oben auf dem Pass halte ich kurz an, schnaufe durch und trinke etwas. Da entnehme ich dem Wegweiser die Zeitangabe von 30min bis zu meinem heutigen Tagesziel. Also los, nehmen wir die doch schnellstmöglich in Angriff. Zuerst zügig über einen völlig vertrockneten Weg leicht unterhalb einer Felswand ändert sich die Landschaft kurzum: Grün dominiert ab hier. Nun nimmt auch die Anzahl der Wanderer zu. Die 30min Zeitangabe scheint mir schon knapp bemessen zu sein, nicht für mich, sondern generell. Item. Die letzten Meter hinauf brennen dann meine Beine ziemlich. Ich bin weniger auf Tempo unterwegs am heutigen Tag, dennoch ermüde ich langsam. Der weiche Boden und die letzten Tage scheinen ihren Teil dazu beizutragen. So erreiche ich nach 1h42 die Wätterlatte auf 2'007m.ü.M.
|
running the Wätterlatte ;-) |
|
Morgenberghorn |
|
auch Bäume sterben auf natürliche Weise |
Der am meisten unterschätzte Berg der Region soll es sein. Da soll sich jeder seine eigene Meinung bilden. Es gefällt mir jedenfalls gut hier oben, nur die Bise nervt, weil doch all meine wenigen Kleider komplett durchnässt sind. Den Lawinenniedergang an der First verpasste ich ebenso wie die normalerweise hohe Anzahl Schmetterlinge hier oben. Danke Bise. Und auch die Aussicht ist wegen Wolken eher bescheiden. Aber das macht nichts. Vor einigen Tagen war ich auf dem Dreispitz und dachte mir noch, die Wätterlatte kann ich
bi Troscht auslassen. Falsch gedacht, denn es ist wahrlich hübsch hier oben. Nach einer ausgiebigen Pause mache ich mich auf den Rückweg. Nach einem schnellen Downhill schiesse ich noch das Foto des Tages (siehe ganz oben) und erreiche bald das Engelhorn.
|
Engelhorn |
Engelhorn klingt vielversprechend, oder? So klein dieser Fleck auch ist, so malerisch erscheint er mit seinen wunderschönen Bäumen und dem hineingepflanzten Weglein. Wie schön. Ich halte kurz, geniesse die Seesicht und mache mich nach diesem lohnenswerten Umweg von etwa 500m kurzum definitiv auf den Rückweg. Über die Kiesstrasse und später über den technischeren Wanderweg zieht es sich. Den Schlussabschnitt über Asphalt und Weiden lasse ich gemütlich angehen. Bald erreiche ich Mülenen, dort hänge ich noch drei flache Kilometer an, damit mein heutiger Beitrag zum OneMillion-Run immerhin ein Viertelhundertkilometer beträgt, macht total 39km). Zusammengefasst verliefen diese 1'370 Höhenmeter und 2h51 Lebenszeit zuerst auf einem flowigen, schnellen Abschnitt, gefolgt von einer kurzen aber steilen Passage, die ebenso den Puls in die Höhe treibt wie sie sich gut auf die Wadenmuskulatur auswirkt. Eine schöne, ja schon idyllische Landschaft mit der Option eines schnellen Downhills runden diese wunderbare Tour ab. Manchmal sind die tollen Routen gar nicht so weit entfernt, sondern näher als man denkt.
|
Mülenen - Suld - Wätterlatte - Engelhorn - Mülenen |
Zurück zum Buchhalter: auf der Erfolgsrechnung des Laufmonats Mai stehen nun 232 Laufkilometer und 17'238 Höhenmeter. So viel wie noch nie.
Übrigens, den gesamten Rückweg jogge ich im Angesicht des Niesens. Er - oder sie?! - flirtet sozusagen mit mir. Aber mehr zu dieser Liaison zu einem späteren Zeitpunkt...