hello from the other side – Schwalmere 2’777m.ü.M.

20.09.2019
Einer meiner schönsten Ausflüge im vergangenen Jahr war derjenige vom Kiental auf die Schwalmere. Heute soll es wieder die Schwalmere sein, allerdings von der anderen Seite her. Nachdem ich meinen Wecker ignorierte, noch arbeitete und im Stau stand, erreiche ich mittags Zweilütschinen. Alternativprogramm ist vermutlich die falsche Beschreibung, dennoch war mein eigentlicher Plan für heute der Hardergrat. Dennoch ohne schlechte Gefühle jogge ich auf 670m.ü.M. los.
geiler Trail in Richtung Lobhörner
Die paar hundert Meter über die Kiesstrasse lasse ich es gemütlich angehen, Aufwärmen sozusagen. Dann beginnt die Steigung in Richtung Isenfluh. Im Wald verläuft der Weg über Steine, mal im engen Zickzack, mal im weitläufigeren Ziiickzaaack. Mein Puls erreicht ungeahnte Höhen, und das nach wenigen Minuten. Ein paar halbpatzige Versuche, etwas gelassener und mit tieferen Puls unterwegs zu sein, scheitern kläglich. Schnell bin ich nicht, nur fürs Protokoll, aber mein Puls benimmt sich so, als würde ich den Niesen auf Tempo seckle. Ich verlasse den Wald, kreuze die Strasse und sehe erste Häuser. Nach 29min ereiche ich Isenfluh. Die munzige Seilbahn lasse ich natürlich links liegen, stattdessen jogge ich weiter der Strasse entlang, bis der Wanderweg Fortsetzung findet. Eine ungewollte Pause später wegen offenbarer Orientierungslosigkeit setze ich meinen hochpulsigen Lauf fort. Der folgende Abschnitt verläuft über Kies und Steine, mässig steil. Die paar wunderbaren Meter, wo überall ringsherum Moos wächst und jegliche Ausprägungen der Farbe Grün ein tolles Bild ergeben, sind schnell vorbei. Eine kurze Treppe nehme ich im Laufschritt, die ich anschliessend mit einer kurzen Pause büssen muss. Selbst die flachen Abschnitte, die zum Verschnaufen einladen, lassen meinen Puls weniger sinken als erhofft. Wo der Wald endet, da beginnt ein toller Trail über eine Wiese in Richtung Bach. Hier herrschte am Anfang der Laufsaison eine tolle Stimmung, denn der liegen gebliebene Schnee traf auf den herannahenden Sommer. Einige Minuten später erreiche ich das Sulsseewli. Bis hier sind 1h21 vergangen. Dass mir zunehmend die Puste ausging, habe ich früh bemerkt. Dennoch bin ich ziemlich darüber enttäuscht, bis hierhin länger gebraucht zu haben als anfangs Saison.
z'Seeli näbder Lobhornhütte
Am Brunnen trinke ich einen Magen voll Wasser. Es kommt mir nicht in den Sinn, meinen Beutel aufzufüllen. Viel getrunken habe ich noch nicht, aber aus lauter Idiotie schüttete ich vor dem Start in Zweilütschinen reichlich Wasser aus dem Beutel, weil er sich zu schwer anfühlte. Den Abstecher zur Lobhornhütte lasse ich aus. Stattdessen sind die Lobhörner mein Zwischenziel. Bis zur Schwalmere sind ab hier 3h30 Wanderzeit angegeben. Ich mache mich auf den Weg, beginnend im Joggingschritt. Bald darauf muss ich aufgeben und Marschieren ist angesagt. Dummerweise zeigt jetzt mein Puls (immer noch) viel mehr an als üblich. Auf einer kleinen Erhebung zeigt sich mir ein gigantisches Bild von EJM (Eiger, Mönch und Jungfrau). Bis zu den Lobhörnern halte ich durch, dann raste ich einen Moment. Ich merke, zu wenig Wasser bei mir zu tragen, deswegen gehe ich sparsam damit um, was wiederum meinem Durst eher schlecht als recht entgegenwirkt. Beim Vorbeigehen an den Lobhörnern erwarte ich vergebens die im Web beschriebene schwierige Stelle. Ausser potenziellen Steilschlägen sehe ich hier nichts Gefährliches. Zwar sind es nur geschätzte 200m bis zum kleinen Lobhorn, das genügt mir allerdings, mich zu verlaufen. Unterhalb des Wanderwegs quere ich Geröll, schreite dann wieder ein paar Meter ziemlich steil hinauf, damit ich wieder auf dem Weg bin.

genau gstoppt

verbi ade Lobhörner (Bild vom Rückweg)
Hier auf 2'420m.ü.M. wo eine Bergabpassage beginnt, pausiere ich nochmals. Ja, heute geht wenig. Food, Wasser und Gel sind auch wirkungslos. Ich kann nicht mal sagen, zu schnell gestartet zu sein, sondern unabhängig vom Tempo mag ich heute nicht wirklich. Selbst abwärts fällt mir das Joggen schwer. Achja, bei den Lobhörnern schaue ich mir den Wegverlauf zur Sulegg an. Räphu & Rebi waren im Juli dort, aber vermutlich muss ich das auf einen anderen Tag verschieben. Bis hierhin stoppe ich übrigens auf die Hundertstelsekunde genau 2 Stunden Lauf- bzw. Marschierzeit. Der Beginn des Gegenanstiegs zur Schwalmere beginnt sanft. Mein Tagesziel scheint noch in weiter Ferne zu sein. Im eigentlichen Jogginggelände marschiere oder besser gesagt trödle ich von Steinmanndli zu Steinmanndli. Mit der richtigen Steigung beginnt auch das Geröll. Gefällt mir. Die karge Landschaft bringt ironischerweise Abwechslung. Die Zeit vergeht wie im Flug. Das Schneefeld auf dem Sattel, von dem aus es noch genau 100m auf den Gipfel sind, scheint nun nahe zu sein. Eine weitere Pause später wandere ich zum Schneefeld, kreuze es und nehme die letzten Meter unter die Füsse.

s'geit no es Bitzli bis uf z'Güpfi
Nach 2h36 erreiche ich die Schwalmere auf 2’777m.ü.M. Es war ein Kraftakt hierhin, etliche ungewollte Kurzpausen machte die Sache müssig. Jetzt, wo ich hier oben diese Aussicht sehe, ist alles verflogen. Es ist wahrlich der beste Blick auf EMJ überhaupt. Man schaut hier auf das scheinbar kleine Morgenberghorn herab. Der aus weiter Ferne sichtbare Hardergrat löst in mir keinerlei Reue aus, im Gegenteil, angesichts meiner Verfassung bin ich froh, von etlichen zusätzlichen Höhenmetern sowie einer deutlich längeren Distanz abgesehen zu haben. Das intensive Laufgefühl vom Vorjahr fehlt schon ein bisschen und auch die Tatsache, einen Ort ein erstes Mal zu entdecken oder eben wie heute wieder herzukommen ist eine andere Sache. Aber das wertet den heutigen Tag, insbesondere die fabulöse Aussicht hier kes Müggefützi ab. Mir gfauts hie. Seit der Abzweigung unweit der Lobhornhütte begegnete mir keine Menschenseele mehr.

hallo chlins Morgeberghorn
was fürne Ussicht

EJM
Mit den letzten Tropfen Wasser spüle ich ein Linzertörtli runter, dann mache ich mich auf den Rückweg. Jetzt kommen über 2'000 Meter bergab verteilt auf rund 11 Kilometer. Ich freue mich. Übers Schneefeld springe ich wie ein verspielter Welpe. Übers Geröll bin ich meist vorsichtig und gemütlich unterwegs. Bevor die Gegensteigung zu den Lobhörnern beginnt, erfreue ich mich der herbstlich werdenden, richtig flowigen und schönen Wiese. Toll. An deren Ende beginnt der kurze Anstieg von gut 100 Höhenmeter, bevor ich die in Angriff nehme, nehme ich mir noch Zeit zu Posieren vor Eiger, Mönch und Jungfrau. Kurz darauf setze ich meinen leidenden Marschgang fort, zottle vorbei an den Lobhörnern (dieses Mal auf und nicht neben dem Wanderweg).

Poser

es grandioses Panorama
Die Sonne verschwindet hinter dem Lobhorn, erste Schatten bilden sich. Neben dem Seeli beim Brunnen fülle ich den Beutel auf und trinke einen Magen voll Wasser. Läck tuet das guet. Richtig gestärkt nehme ich den Rest in Angriff. Dieser «Rest» ist signalisiert mit 2h30 bis Zweilütschinen, bin schliesslich noch auf 1’980m.ü.M. Nun habe ich es eilig, will ich doch noch Eishockey schauen gehen. Bis Isenflueh komme ich gut vorwärts, ohne Risiko aber zügig naht sich das Ende meines heutigen Trailruns. Im letzten Waldabschnitt ist über die mühsamen Steine nochmals Vorsicht geboten.
Lobhorn

chum, es Biud geit no ;-)
Dann, nach 4h04 Laufzeit (netto) erreiche ich meine parkierte Karre in Zweilütschinen. Ebenso wunderbare wie anspruchsvolle 2'366 Höhenmeter und 22,6 Kilometer liegen hinter mir. So früh ausgepowert wie heute war ich selten noch, trotzdem zeigte sich heute, dass man bei konstantem Tempo gut vorankommt. Die Schwalmere hat sich auf jeden Fall gelohnt. Gerne möchte ich mal im Winter hier herkommen. Eine unschlagbare Aussicht, tolles Gelände und Einsamkeit pur, das ist, was mir hier besonders gefällt. Auf ein andermal…