23.07.2020
Wecker um 03:45 Uhr, Zuhause losfahren um 04:10, erster Autoverlad am Lötschberg um 05:20. Es ist früh, unheilig und unheimlich. Weil die Tage Gewitter angekündigt sind, geht's heute früh los. Ab nach Zermatt, Jaman! Mein Tagesziel ist noch nicht abschliessend definiert, aber zuerst plagen mich andere sorgen. Denn just vor Täsch habe ich einen Müdigkeitsanfall und pfuse während der Fahrt fast ein. Unmöglich kann ich so losjoggen. Also nehme ich noch einen kurzen Nuck im Parking.
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Schmelzwassersee im Gletscher |
Bei kühlen Temperaturen und noch ohne Sonnenstrahlen starte ich beim Camping Täsch. Die ersten 4000er sind bereits von Sonnenstrahlen geküsst, darauf muss ich noch einen Moment warten. Mir gefällt die morgendliche Stille hier am Bach entlang, das Gras ist noch feucht, schwitzen tu' ich kaum. Ein wunderbarer Tag kündigt sich an. Die Strecke bis Zermatt, es sind gegen 5 Kilometer, kenne ich bestens aus den letzten Jahren, sei es vom Zermatt-Gornergrat-Marathon oder von Trainingsläufen. Rund eine halbe Stunde lang habe ich Zeit aufzuwachen, dann erreiche ich nämlich die Abzweigung zum Weisshornweg.
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traumhafter Trail |
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Poser ;-) |
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Furggji
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weiterer Wegverlauf
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Läuft man ins Mattertal hinein, verläuft der Weisshornweg rechts eben hoch zum Weisshorn. Er kennzeichnet auch den letzten Abschnitt von meinem Lieblingslauf, dem Matterhorn Ultraks, allerdings eben in entgegengesetzte Richtung. Nach dem ich noch versehentlich einen grossen Schnägg vertschaupet habe - er hätte diesen schönen Tag sicherlich verdient - geht's los mit der Steigung. Ich nehme es gemütlich, marschiere mal, secklä mal. Ein wunderbarer Trail mündet bald in die Lawinenschutzverbauungen ein. Hier gönne ich mir ein Päuschen, knabbere was und geniesse die ersten Sonnenstrahlen. Statt der Laufstrecke des Ultraks zu folgen, wähle ich den Weg bergauf. Es joggt sich gut hier, flacher als zu Beginn. Die kühle Luft hilft, hier nicht schon im eigenen Schweiss zu baden. Die Strecke flacht dann ab und mir zeigen sich endlich die nächsten paar Laufkilometer: ein Plateau, ein paar Schneefelder und vermutlich das Platthorn sehe ich vor mir. Und nun sehe ich auch die ersten Menschen. Gerade als ich zügig um die Ecke komme, treffe ich erstmalig überhaupt einen Wanderwegunterhalter an. Er bemalt gefühlvoll Steine mit dem typischen Weiss und Rot für Bergwanderwege. Ein kurzer Schwatz und dann geht es weiter. Vorbei an Schwarznasenschafen endet das Platteau bald, die Steigung beginnt.
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Blick zurück zum Schneefeld
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Querung des Hohlichtgletschers zum Mettelhorn |
Über einen schönen Weg mit lockeren Steinen freue ich mich auf das folgende Schneefeld. Gute Trittspuren machen das Gehen mit Laufschuhen einfach. Erst als die Steilheit zunimmt und ich versehentlich einen anderen Weg wähle, montiere ich meine Spikes, denn links ist es etwas abschüssig. Nach einem längeren und zunehmend steilen Schneefeld erreiche ich den Wegweiser am Furggji. Hier bin ich nicht alleine, trotz schnellerem Tempo pausiere ich wiederum kurz und lasse den zwei Francophonen den Vortritt. Der Schmelzwassersee im Gletscher sieht beeindruckend aus, weswegen ich mein Päuschen etwas verlängere. Rechts wartet das Platthorn, geradeaus verläuft der Weg über den Gletscher zum Mettelhorn. Ich wähle zuerst letzteres, obwohl eine kleine Wolke sich darum schlängelt. Dann nehme ich den Weg über den Gletscher in Angriff. Abwechselnd joggend und marschierend läuft es sich mit Spikes leicht, die Wegspur ist klar und gut ausgetreten. Das Paar habe ich kurzum ein- und überholt. Gletscher, wow, die gefallen mir einfach. Nach ein paar Minuten ist der Gletscher passé und mich erwartet der steile Schlussanstieg. Im Zickzack geht's nochmals einige Höhenmeter hinauf, ich bin etwas müde und spüre die Höhe, die mir Luft und Kraft raubt.
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schöner Fund |
Nach 2h38 erreiche ich das Mettelhorn auf 3'406m.ü.M. Ein Gipfelkreuz gibt es nicht, nur eine unscheinbare Plakette. Selbst, wenn es ein Gipfelkreuz gäbe, es wäre nicht sichtbar im Nebel. Ja es ist so, ich sehe keinen Meter, es zieht zudem und ist frisch. Für wenige Sekunden sehe ich ein paar Berge, das ist es aber auch schon. Auf der Webcam des Gornergrats sehe ich, dass im ganzen Mattertal nur eine einzige Wolke herumdüst. Eine einzige. Eine. Und die ist genau hier bei mir auf dem Mettelhorn. Toll. Schliesslich friere ich eine Weile und warte fast eine Stunde, bis sich die Wolke auflöst und sich das ganze Alpenpanorama zeigt. Zwischenzeitlich sind einige Wanderer gekommen und wieder gegangen. Ach seht selbst her, was die Aussicht zu bieten hat.
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fantastisches Panorama |
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Matterhorn von seiner schönsten Seite |
Dann mache ich mich auf den Rückweg, zuerst joggend den Schlussaufstieg wieder hinunter, dann retour über den Gletscher. Hier zieht es mir in der linken Wade. Nun biege ich auch noch ab auf das Platthorn, welches ich in wenigen Minuten erreiche. Hier auf 3'345m.ü.M. zeigt sich wunderbar das Matterhorn, sozusagen von seiner schönsten Schokoladenseite. Mit etwas Schmerzen in der Wade mache ich mich auf den steinigen Rückweg, montiere für das Schneefeld wiederum die Spikes. Der Schnee ist nun weicher, nicht aber praktischer zum Joggen. Unten beim Plateau liegen die Schwarznasenschafe auf dem letzten Bitz Schnee, wie idyllisch das doch aussieht mit dem Matterhorn im Hintergrund. Ich folge nun nicht mehr dem Hinweg, sondern biege ab zum Hotel du Trift.
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sieht gemütlich kühl aus |
Die Wadenschmerzen intensivieren sich, dehnen und massieren nützt nichts. Dazu kommt, vermutlich wegen meiner leidenden Haltung, dass mein linkes Knie auch beginnt zu schmerzen. Es scheint, mein Sturz vom Eiger Trail hatet doch etwas kaputtet. Leidend und entsprechend langsam trödle ich den schönen Wanderweg runter. Meinen optionaler Abstecher zur Rothornhütte kann ich so vergessen. Im Hotel du Trift kehre ich kurz ein, nehme ein Bullion zu mir und mache mich anders als geplant auf den direkten Weg nach Zermatt. Auch hier wollte ich eigentlich noch einen Umweg über den schönen Höhenweg machen - undenkbar mit dieser Wade, die mich glauben lässt, jede Sekunde könnte es den Muskel verjäte. Kaum noch schneller als Wanderer muss ich mir eingestehen, das erste Mal übel dran zu sein mit Beschwerden. Den Wegverlauf nehme ich kaum noch war. Es ist so mühsam, so dass ich froh bin, bald das Dorf zu erreichen. Als es soweit ist, stoppe ich meine Aktivität auf der Uhr und traure schon dem verpassten Nachmittag nach, den ich eigentlich noch vor mir hatte.
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Blick vom Platthorn auf den Schlussanstieg des Mettelhorns |
Nach einer kurzen Dehnübung, die nichts bringt, steige ich in den Zug nach Täsch. Mudrig und mit schmerzender Wade und blockierendem Knie mache ich mich auf den Rückweg. Die Knieschmerzen nehme später noch zu. Im Autoverlad schaue ich mir die Bilder dieser tollen Strecke nochmals an und bin dennoch zufrieden mit dem heute Erlebten. 2'110 Höhenmeter und «nur» 24 Kilometer liegen hinter mir. Der Weisshornweg (ohne Weisshorn selbst) gefiel mir enorm gut, das alpiner werdende Gelände, die Gletscherquerung und der Schlussanstieg zum Mettelhorn sind eine Pracht. Ich kam auch der Aussicht wegen, die auf dem Mettel- wie auch Platthorn Sondergleichen sucht. Sehr eindrücklich, wirklich. Mangels Bergbahnen zeigte sich diese Streckenwahl als hervorragende Entscheidung, denn die Anzahl Menschenbegegnungen war wirklich bescheiden. Gerne hätte ich diesen prächtigen Tag und die schöne Strecke noch mehr ausgekostet, leider ging das nicht. Ich bin trotzdem froh, so früh aufgestanden zu sein, es hat sich wahrlich gelohnt. Nun kümmere ich mich um mein linkes Bein, mal schauen, was die nächsten Tage bringen...
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Trailrunning vom Feinsten |