05.08.2020
Heute scheint die ganze Welt in Zermatt Gast zu sein, denn so viele Menschen habe ich hier noch nie gesehen, auch die 50m Schlange vor der Gornergratbahn und die Hoteldame bestätigen das. Jedenfalls sollen es zwei Tage in Zermatt sein, geilo. Ich habe mir heute eine Teilstrecke des Matterhorn Ultraks Sky und einen Hoger vorgenommen, auf dem ich noch nicht war, nämlich das Zermatter Stockhorn. Mittags ist es noch etwas frisch als ich mit meinem neuen 3-Liter-Rucksack in Richtung Sunnegga starte. Schon nach wenigen Minuten erreiche ich eine unscheinbare Abzweigung: Matthorntrail, sagt die Beschilderung. Dieser Trail stellt eine Trainingstrecke mit 608 Höhenmeter auf 1'250m Distanz dar. Das ergibt eine Steigung von über 48 %. Anhand der Zeitentabelle erhält man eine Einschätzung, ob die eigene Form für eine Matterhornbesteigung ausreichen würde. Eh chum, dä näme mir... Über einen steilen Pfad komme ich ziemlich ins Keuchen, nicht am Limit, aber der Weg ist streng. Immerhin hilft der Schatten, dass mir hier keine Bäche über den Rücken
abesüdere. Ich komme immer besser in Fahrt, bis ich irgendwann die Waden spüre. Der Weg verläuft direkt über der Sunneggabahn, gredi gredi, so gredi, dass hier jährlich Vertikal-Wettbewerbe stattfinden. Als der Weg abflacht, entdecke ich das Zielschild, deswegen jogge ich noch die letzten Meter. Wer mehr als 60min benötigt, dessen Form genügt nicht, 46-60min sind mittelmässig, 45min passen. Meine Uhr zeigt erfreuliche 29min an, nun habe ich für den Rest des Tages Zeit mich mit der Matterhornbesteigung auseinander zu setzen ;-) Das war doch schon mal ein geiler Start.
|
Zermatter Stockhorn 3'532m.ü.M. |
Ab Sunnegga folge ich meiner ursprünglich geplanten Route, es geht bergab am ersten Seelein und Touristenscharen vorbei. Bis hinunter zum Skilift begegne ich noch einigen davon, bis dann eingangs Wanderweg wieder Einsamkeit einkehrt. Es scheint, heute ist fast niemand auf diesem Anfangsstück des Ultraks unterwegs. Zügig marschiere ich hoch, alles fühlt sich locker an. Im Winter fahre ich hier gerne die schwarze Piste runter, eine von wenigen im gesamten Skigebiet. Vor der nächsten Steigung schnappe ich mir beim Restaurant noch einen Liter Wasser, dann geht's richtig los. Ein prächtiger Tag und angenehme Temperaturen machen mir richtig Freude über diesen steilen Aufstieg. Bald zeigt sich auch das Matterhorn, ehe der Gornergrat und das Hohtälli ins Bild rücken. Nochmals entdecke ich einen kleinen Schmelzwassersee, in dem ich mir nasse Füsse und ein schönes Horubild hole. Dann geht es über die hässliche Skipiste, wiederum vorbei am künstlichen See.
|
Zermatt = trailrunners paradise |
|
kurz nach Sunnegga |
|
Aufstieg zum Gornergrat |
Der nächste Aufstieg über Geröll bedeutet dann auch, dass die 3'000m Grenze überwunden ist. Hier oben auf dem Gornergrat, einige hundert Meter hinter dem Aussichtspunkt für Touristen, bin ich fast alleine. Unter mir liegt der mächtige Gornergletscher, darüber thronen einige 4000er. Prächtig! Ein paar Minuten verweilen, dann geht's weiter. Der Wegverlauf ist einfach, immer alles dem (noch) breiten und präparierten Grat entlang. Bald erreiche ich eine meiner Lieblingsskistationen, das Hohtälli auf 3'286m.ü.M. Hier ist es still, es pausieren zwei Wanderer, die hier wieder umkehren. Ich folge weiter dem weiss-blau markierten Gratverlauf, der nun steiniger aber nie abschüssig wird. Nicht nur wegen der Höhe, sondern vor allen wegen dem losen Untergrund bin ich langsam unterwegs. Dunkelrotes Gestein, häufig locker bis blockig, prägt nun den Wegverlauf. Gelegentlich verliert sich der Weg, findet sich aber schnell wieder, oder aber es gibt mehrere Wegspuren. Ich weiss schon jetzt, da habe ich eine tolle Route ausgesucht: zwar trüben die alten Skiliftinstallationen das Bild etwas, die Einsamkeit sowie die Höhe, der lose Untergrund, die Gletschersicht und die Leibwache der 4000er machen das mehr als wett.
|
zweiter See |
|
dritter See
|
|
toller Wegverlauf |
|
äs geit no chli ;-) |
|
Rote Nase und Station Stockhorn |
|
chum mir mache schnäu es Fährtli... |
Die Rote Nase ist schnell passiert. Heisst diese alte Station auf französisch nez rouge? Es wird steiniger, verlassener, Wegspuren sind vorhanden. Das Leichte auf und Ab macht richtig Spass. Ein letzter Aufschwung bedeutet dann auch, dass ich die Stockhornstation erreiche, links liegt unberührt der Trifjigletscher. Irrtümlicherweise sagt die Beschilderung, dass ich mich bereits auf dem Stockohorn befinde, das ist aber falsch. Ich folge also weiter dem dunklen Gratverlauf, der letzte Aufschwung zum Stockhorn ist unverkennbar. Heute bin ich durstig, obwohl ich mich anfänglich nicht mal verausgabte. Der entgegenkommende Welschen kommt meinem Bedaf nach Wasser tatsächlich mit 4dl nach. Hier bei der Schneewächte und am Gletscherrand liegt Neuschnee von Vorgestern, diesen presse ich in meine zwei Trinkbeutel und lasse ihn schmelzen. Die letzte Passage über Schnee sorgt für kühle Füsse. Dann erreiche mein heutiges Tagesziel, das Zermatter Stockhorn auf 3'532m.ü.M. Weiter geht's nicht mehr (für mich) und näher komme ich der Dufourspitze auch nicht ;-). Die fantastische Rundumsicht lasse ich einen kurzen Moment wirken. Bilder sagen mehr als meine Worte.
|
chli ruppig |
|
di letzte Meter zum Stockhorn |
|
Blick zurück |
|
Päscu in Action |
|
zfride |
Nach ein paar Minuten mache ich mich auf den Rückweg, denn ich weiss schon, dass ich etwas spät dran bin. Den Wegverlauf hatte ich mir weniger technisch, also auch schneller, vorgestellt. Ich beeile mich, mache noch ein paar Fotos und schaue mal den Fahrplan der Gornergratbahn. Zügig husche ich über die losen Steine, hole mir hier und da ein paar Schürfungen ab, stolpere gelegentlich und fülle nochmals etwas Schnee in meine Beutel. Schnellen Schrittes gehts dem Grat wieder retour via Stockhornstation, Rote Nase, Hohtälli. Hier mache ich den Fehler und höre nicht auf mein Bauchgefühl, denn entlang der planierten Skipiste wäre ich zügiger unterwegs als über den steinigen, direkten Grat. So passiert es dann, dass ich am Gornergrat die stündliche Bahn knapp verpasse, hoppla. Ich folge dem direkten Weg nach Rotenboden und Riffelberg, wo ich jeweils den Zug knapp vor mir abfahren sehe. Den hätte ich gekriegt, hätte ich beim Hohtälli eben die Skpiste genommen. Ebenso in die Hose geht meine Überlegung, beim Riffelberg die Gondel nach Furi zu nehmen, denn sie fährt gar nicht mehr. Also bleibt mir nur noch übrig, bis nach Zermatt runter zu joggen. Ich hatte es mir anders vorgestellt, als 2'000 Höhenmeter wieder runter zu joggen. Wasser habe ich auch keines mehr und der Kiosk ist geschlossen,
henusode. Bei der Riffelalp herrscht Einsamkeit und Stille, die Touris sind alle schon gegangen, das Restaurant geschlossen. Nun merke ich, dass der Staub und Stein in meinem Schuh davon kommt, dass die Sohle sich komplett vom Schuh löste. Toll. Dass meine Trailschuhe kurz vor der Rente stehen, war mir klar, dass sie sich jetzt so auflösen, ist gaga. Egal. Ich beeile mich nach wie vor, wähle den direkten Weg nach Winkelmatten, wo ich die letzten Sonnenstrahlen spüre, bevor ich am Bahnhof Zermatt ankommen. Hier geht meine Eile weiter, denn ich hatte vor 13 Minuten eine Verabredung zum Abendessen...
|
der höcht Schwizer im Hintergrund: Dufourspitz |
|
hier möchte ich jeden Tag hinkommen |
|
Retourweg via Gornergrat |
|
adios Schueh |
Das war heute ein super Run! Den Matterhorntrail hatte ich längst mal machen wollen, aber immer wieder vergessen. Er war eine willkommene Abwechslung zum überlaufenen Wanderweg. Ich komme mal wieder um versuche ans Limit zu gehen, da liegen sicherlich noch ein-zwei Minütchen drin; der Rekord liege übrigens bei 17min. Dass noch Bergeseefotos drin lagen ohne Menschenmengen mit zu fotografieren, das war die zweite positive Überraschung. Die Teilstrecke des Ultraks konnte ich ebenso abhaken ,*freu*. Der leichte Wassermangen und meine Verspätung waren natürlich unschön und ungeplant. Dafür entschädigt die teilweise schöne und insbesondere einsame Strecke zum Stockhorn. Die Aussicht verdient absolute Höchstnoten. 5h31 Laufzeit, 31km Distanz und 2'500 Höhenmeter hinauf und wieder hinunter ist das Ergebnis in Zahlen. Von solchen Runs will ich mehr. So, iz wird gmampft u morn geits uf d'Ski! Zermatt, immer eine Reise wert...
|
giftigs Gländ für di super dünne Schüehli |
|
Panorama Zermatter Stockhorn |
|
Rundumsicht Zermatter Stockhorn |