21.08.2021
Matterhorn Ultraks Sky, mein alljährliches Saisonhighlight. Sky bedeutet 49 Kilometer, 3'600 Höhenmeter rauf und runter, drei wesentliche Anstiege, einer davon bis auf den Gornergrat auf 3'100m.ü.M. So viel zu den Facts. Es ist meine fünfte Teilnahme auf der Sky-Distanz. Heftige 10 Stunden und 23 Minuten brauchte ich bei meiner ersten Teilnahme. 7 Stunden und 24 Minuten waren es im Vorjahr. An Letzterer orientiere ich mich. Zwei Marathons habe ich dieses Jahr schon in den Beinen. Hier in Zermatt torpedierte ich im Juli 2021 meine persönliche Bestzeit am Gornergrat-Zermatt Marathon und auch der Eiger Ultratrail verlief gut. Bei beiden Läufen fehlten Vergleiche zum Vorjahr infolge der Eventabsagen. Deswegen wird sich heute zeigen, wie gut Gegenwarts-Päscu sich im Vergleich zu Vergangenheits-Päscu schlagen wird.
Das Laufvirus infiziert viele. Länderübergreifend versteht sich. Weil das andere Virus nicht ganz so übel wütet, sind dieses Jahr wieder wesentlich mehr Läufer aus dem Ausland am Start. Wegen meiner Vorjahreszeit starte ich im zweiten Startblock, notabene zwei Startblöcke weiter vorne als bei meinem einsamen Lauf im Vorjahr. Deswegen reihe ich mich etwas weiter hinten ein, ich er warte schliesslich nicht, wesentlich schneller zu sein als die Laufverrückten in meinem Block. Um 07:05 Uhr gehts los. Ein prächtiger Tag kündigt sich an. Sonnenstrahlen lassen das Matterhorn erstrahlen. Die ersten flachen Laufmeter nutze ich zum Aufwärmen. Einige Läufer schiessen an mir vorbei, vielleicht bin ich zu weit vorne gestartet. Im ersten Anstieg nach Sunnegga geht es moderat bergauf, ich jogge hier locker. Mir fehlt etwas der Rhythmus, denn ständig zieht einer an mir vorbei oder erste Läufer beginnen zu Marschieren. Es länkt eifach ab. Eingangs Gourmetweg überhole ich noch, um staufrei durch den schönen und flüssigen Singeltrail zu zotteln. Die letzten steileren Meter hinauf zur Sunnegga lassen Erinnerungen an meine erste Teilnahme aufkommen. Bis hierhin hatte ich damals schon ein bisschen zu beissen, heute geht das relativ locker. Schliesslich geht es darum, bis auf den Gornergrat unbeschadet durchzukommen. So erwarten mich nicht nur prächtige Sonnenstrahlen und eine tolle Weitsicht, sondern auch eine aufgerundete Minute Vorsprung auf meine Vorjahreszeit (1h00). Rang 83.
Hinab nach Finden verpflege ich mich und versuche, nicht zu stolpern. Klingt banal, aber ein unglücklicher Misstritt und alles ist vorbei. Nun geht es meine Lieblingsskipiste hinauf, zunehmend steiler. Hier hinauf würde es sich joggen lassen, ja wenn denn nicht 49 Kilometer auf der Tagesordnung stehen würden. Erste Läufer leiden, ich überhole und erinnere mich an 2017-Päscu, der hier auch schon Mühe bekundete. Es ist keine Schande, es wird einfach zäih hintenraus. Item. Unterdessen habe ich meinen Rhythmus besser gefunden und die Läufer verteilen sich besser. Bis zur Geröllhalde hinter dem Gornergrat verpflege ich mich nochmals, damit ich auf dem Grat die Aussicht vollends geniessen kann. Die Aussicht lädt zum Verweilen ein, aber ich muss weiter. Nach 16 Kilometern resultiert wiederum eine aufgerundete Minute Vorsprung aufs Vorjahr (2h37). Rang 79.
Der erste Teil des Downhills gehe ich gemütlich an, es bringt nichts, hier eilen zu wollen. Mir gefällt es gut, wie sich die Läufer verteilen. Das schafft Platz auf dem Trail und es gibt auch die Gelegenheit, die Umgebung zu schätzen. Je näher ich dem Riffelberg komme, desto mehr ziehe ich das Tempo an. Die Strecke lässt es zu, denn zunehmend wird sie einfacher. Hinunter zur Riffelalp überhole ich erste Läufer, was sich gut anfühlt. Schliesslich habe ich diese Saison wesentlich weniger Downhill-Kilometer in den Beinen. Übrigens hatte ich erst am Dienstag noch tou Muskelkalter vom letzten Run am Sonntag davor. Vielleicht ein Warnzeichen, es heute beim Downhill bedacht anzugehen, da ich sonst meine Beine plattlaufe. Kurz vor der Riffelalp lassen mich Wanderer vorbei, und sogleich passiert es... Misstritt mit dem linken Fuss und beim Abfederungsversuch unfreiwillig seitlich umkeit. Es tut weh, aber ich kann weitermachen. Hatte ich jahrelang kaum Misstritte gemacht, und wenn, dann immer mit dem rechten Fuss, erwischt es mich schon zum zweiten Mal innert Wochenfrist. Es geht aber weiter und stört nach einigen Minuten nicht mehr. Sogleich erreiche ich die Riffelalp, mit mickrigen eineinhalb Minuten Vorsprung aufs Vorjahr (3h11). Hier esse ich etwas Banane und Orange, dann gehts schnell weiter. Rang 63.
Der folgende Abschnitt ist richtig flowig, ein toller Trail immer dem Matterhorn entgegen. Genauso wünscht man sich einen Trailrun. Die leichte Steigung lässt mich kaum aus der Ruhe bringen. Ausser, dass mein bisheriger Wasserkonsum wohl zu gering war, bin ich gut gestimmt. Im technischsten Abschnitt der gesamten Strecke, dem Abstieg zur Hängebrücke, zahlt sich der Blockstart wiederum aus. Wo sonst Stau herrscht, bin ich heute alleine unterwegs. Hohe Tritte, ein paar Treppenstufen, lose Steine, typisches Scheichebrächergländ haut. Zwischenzeitlich lässt sich ein Blick in den Gletschergarten erhaschen. Aber auch der bald anstehende Streckenabschnitt hinauf zum Schwarzsee zeigt sich. Bevor es soweit ist, quere ich die Hängebrücke und erreiche mit wiederum eineinhalb Minuten Vorsprung Furi (3h45). In der vergangenen Stunde habe ich rund 1'400 negative Höhenmeter absolviert. Rang 58. Nun beginnt ein neues Rennen. Von 1'800 hinauf auf 2'580m.ü.M. bedeutet auch, dass es nun ums Eingemachte geht. Die ersten und die letzten Meter dieses Anstiegs sind die steilsten. Zuerst schätze ich den Schatten, eine Hitzeschlacht ist es nicht. Noch nicht. Während der Weg etwas an Steilheit verliert, verlässt er den Wald. Hier macht sich nicht nur der Energieverlust von vier Laufstunden in der Höhe bemerkbar, sondern die Sonne drückt nun auch und meine Befürchtung, zu wenig getrunken zu haben, bestätigt sich. Während schon zu Beginn des Rennens etwas die Frische fehlte, fühle ich nun leichte Dehydrierung. Der steile Schlussabschnitt hinauf zum Schwarzsee ist immer ein Krampf. Steil, anstrengend, mühsam. Meinen Rang habe ich gehalten (55). Ich pausiere etwas länger als geplant, brauche frisches Wasser und fürchte mich schon vor dem Höhenweg. Zeitmässig bin ich eine Minute im Voraus (04h40).
Hinab zur Stafelalp fühle ich meine platten Beine. Es fehlt einfach die Frische und Lockerheit. Das ist weder schlimm, noch ist es schön. Wer hier überschüssige Energie hat, kann es fliegen lassen. Das habe ich nicht, also lasse ich die Leader der kürzeren Distanzen neidlos passieren und versuche positiv zu bleiben. Von hier ist die Sicht aufs Matterhon eindrücklich, eindrücklich nahe und ungewohnt. Trotz legerer Laufweise passiere ich nach 5h00 die Stafelalp (Rang 52, Vorsprung 2,5 Minuten). Das Flussbeet passiere ich unter drückender Hitze. Klar, ich befinde mich weder in der Wüste, noch herrschen 30 Grad. Trotzdem bin ich es mir nicht gewohnt oder eben leicht dehydriert. So bekunde ich mit der leichten Steigung etwas Mühe. Eingangs Höhenweg passiere ich den Wasserfall, wie schön wäre hier eine erfrischende Dusche. Wenn sich bei Betrachtung dieser Wassermengen ein Durstgefühl meldet, ja dann trifft meine Befürchtung zu... so kommt es dann, dass ich wenige Minuten später die Laufstrecke kurz verlasse und am Bach mein Gesicht und Arme erfrische, neues Wasser nachfülle und einen Beutel voll in mich reinschütte. Gel inklusive. Der Höhenweg ist immer eine Tortur, auch heute. Die moderate Steigung verträgt sich einfach nicht mit dem bisherigen Energieverbrauch. Ich muss ein paar Läufer vorbeilassen und verliere den Anschluss. Vielleicht fühlt sich der Anstieg nicht enden wollend an, weil der höchste Punkt nie sichtbar ist. Meine Kilometerzeiten wirken demotivierend. Ich leide. Zwei vor mir tun das auch und stoppen, füllen den Becher an einem lausig fliessenden Bach. Nun, da muss ich jetzt durch. Irgendwann ist dann auch dieser Abschnitt passé, meine Motivation etwas verflogen, schliesslich lässt sich mit der Extrapause am Bach und einer solchen Pace nicht mit meiner Vorjahreszeit konkurrenzieren. Ich bin erschöpft, nehme mir vor, beim höchsten Punkt kurz zu halten. Das tu' ich dann auch, sitze für 90 Sekunden hin, trinke einen Beutel, werfe einen Gel rein und fahre kurz den Kreislauf runter. Es hilft, denn das Wiederanlaufen geht überraschend gut. Trotzdem laufe ich verhalten weiter, will mich nicht übertun. Langsam verläuft der Trail bergab ich hole wieder auf, fühle mich besser. Ich freue mich, als das Hotel du Trift weit unter mir zu sehen ist. Wer es bis hierhin geschafft hat, der schafft es auch ins Ziel. So erreiche ich den letzten Checkpoint nach 6h40, Rang 52 gehalten, 7 Minuten auf Vorjahrespäscu verloren. Geit ja no so.
Ein Kilo Orangen und ein Kubikliter Wasser später nehme ich die letzten 150 Höhenmeter in Angriff. Mir fehlt bergauf die Energie, vielleicht habe ich auch etwas zu wenig gegessen oder war zu selten am Niesen Höhenmeter fressen. Jedenfalls erreiche ich bald den letzten Peak, von hier an geht es nur noch abwärts. Der Schlussabschnitt, der Wisshornweg, ist ein Zuckerstück: Tiefblick auf Zermatt, Sicht aufs Matterhorn, ein toller Trailtag liegt hinter mir, es fühlt sich einfach toll an. Zügig, aber ohne Risiko und mit moderater Belastung seckle ich die letzten Meter bergab. Es zieht sich immer, hier runter, die Beine werden nochmals beansprucht. Meine Vorjahreszeit hole ich nicht mehr. Also geniesse ich diesen letzten Teil. Ja, geniessen ist das richtige Wort. Besonders nach dem Leiden im Höhenweg tut es gut, wieder schönere Laufphasen zu erleben. Drei Kilometer vor dem Ziel spüre ich die Wärme hier unten im Tal, ja wirklich. «2km to go», ein tolles Gefühl, dieses Schild zu lesen. Der Lautsprecher ist schon zu hören, noch 10 Meter hinauf, dann biege ich in die Bahnhofstrasse ein und freue mich über das Erlebnis. Es ist kein Vergleich, wie es sich körperlich angefühlt hat damals vor vier Jahren. Das Ziel erreiche ich auf Rang 50, Kategorienrang 22. Mit einer Laufzeit von 7h32 verfehle ich meine Vorjahreszeit um 8 Minuten. Nun, über die Laufzeit bin ich ein wenig enttäuscht, aber ehrlich gesagt weicht sie bei einem solchen Trailtagsehr schnell.
Mein fünfter Ultraks ist wiederum ein Erfolg für mich. Es ist ein tolles Gefühl, wenn man solche Läufe einteilen und managen kann, es macht auch nichts, mal zu leiden. Die Verpflegung hätte ich besser machen können und müssen. Im Ziel brauche ich einen Moment, bis ich repariert bin. Chips und Glace helfen dabei. Dann bin ich wieder für Gespräche mit meinen Liebsten bereit, die mich wiederum bei diesem Highlight begleitet haben. Heute gibt es noch ein feines Abendessen, schliesslich gilt es über 4'000 Kalorien aufzuholen. Dann beginnt die zweite Hälfte der Laufsaison, mal schauen welche Läufe noch anstehen.
Fazit: für Tage wie diese lohnt es sich zu trainieren. Tage wie diese sind es, die als Erinnerung bleiben. Tage wie diese sind die Gründe, um wieder herzukommen nach Zermatt. Ja ohne diesen Ultra in Zermatt würde mir etwas fehlen...
Fotos by sportograf.com