Lausanne Marathon unter 3 Stunden

27.10.2019
Rebonjour Lausanne! Heute geht es darum, die drei verfluchten Minuten vom Vorjahr schneller im Ziel zu sein. Eine Finisherzeit unter 3 Stunden ist das Ziel. Vom letztjährigen Bericht könnte ich vieles kopieren, besonders was den Mangel an gelaufenen Flachdistanzen angeht. Aber was soll ich sagen, in den Bergen macht es mir einfach mehr Freude.
Zieleinlauf
Der Oktober 2019 war ein fauler Monat von mir: Halb so viele Kilometer, halb so viele Höhenmeter als üblich bzw. im Vorjahr. Oder vielleicht bin ich heuer besser erholt. Eine Prognose abzugeben ist daher schwierig. Vor dem Start treffe ich noch Thomas, der hat übrigens nur zwei Minuten gutzumachen, um eine persönliche Bestzeit von 2:59:59 zu laufen. Als Learning vom letzten Jahr reihe ich mich kurz vor dem Start noch in der Warteschlange fürs Toitoi ein. Dafür sind die anschliessenden 7 Minuten Aufwärmzeit etwas zu wenig.
irgendwo hinderem rote Fähndli warti ufe Startschuss
Dann geht's los um 10:10 Uhr. Während im Startbereich der 3h-Pacemaker mit der roten Fahne drei Meter entfernt ist, sind es nach Überquerung der Startlinie eher 20 Meter. Die hole ich schnell auf. Dann komme ich arg ins Keuchen, das leichte Gefälle ändert daran wenig. Neben mir rennt ein Typ barfuss. Wow. Den Thomas sehe ich nirgends und ich höre auch bald damit auf, ihn zu suchen. Zu anstrengend ist der Start. Nach dem ersten Kilometer gebe ich dem zum kurzen Einwärmen die Schuld. Nach Kilometer drei haben sich meine Zweifel, dieses Tempo bis zum Ende durchhalten zu können, schon in einer festen Erkenntnis zementiert. Erst der Blick auf die Pace lässt mich vermuten, der Pacemaker ist viel zu schnell. Okay, das anfängliche Gefälle soll als Zeitpolster dienen. Die Finisherzeit von 3h bedeutet eine durchschnittliche Pace vom 04:16 pro Kilometer. Was wir da auf den ersten drei Kilometern dem roten Fähnchen hinterherlaufen sieht anders aus: 03:52, 03:36 (!), 03:56, 03:59, 04:06. Ich erhole mich leicht von diesem zu schnellen Start. Bei Thomas sieht das sehr locker aus, was mir aber nichts hilft. Ehrlich gesagt, das waren schreckliche erste Kilometer.






So ab Km 8 finde ich den Rhythmus. Heute bin ich ohne Rucksack unterwegs, obwohl ich letztes Jahr mit dem eigenen Trinkbeutel Vorteile sah. Meine Annahme, der Pacemaker setzt 3-5sec des Zeitpolsters beim Verpflegungsposten ein, ist falsch. Ich habe grösste Mühe, im Gewusel einen Becher zu erhaschen, zu trinken während ich renne, und dies ohne Anschluss zu verlieren. Ohne Trinken geht nicht. Also muss ich schon kräftig investieren, um die paar Meter aufzuholen. Obwohl ich den Becher stets länger bei mir trage (und austrinke) als die anderen um mich, fehlt mir das Gefühl des Durstlöschens völlig. Zu gross ist die Anstrengung. Das wiederholt sich übrigens bei jedem Posten. Nur zwei-drei Mal habe ich überhaupt das Gefühl, in einem angenehmen Tempo laufen zu können. Vergangenes Jahr hatte ich das fast dauerhaft bis Kilometer 25. Das recht gute Wetter macht das Laufen entlang der Weinberge am Lac Léman eigentlich zu einem schönen Erlebnis. Zeitweise ist es mir deutlich zu warm. Die ersten 10 Km passiere ich nach 39:29. Hier weiss ich, wird sind definitiv zu schnell.
gseht weniger busper us
Erst kurz vor Vevey, wo bei Streckenhälfte gewendet wird, kann ich besser mithalten. Vielleicht ist es auch nur der ausgelassene Posten, der mir etwas Lockerheit verschafft. Mutti reicht mir ein Wasserfläschli, von dem ich zügig trinke. Meine Absicht, das Fläschli möglichst weit mitzunehmen, um auf die Verpflegungsposten zu verzichten, begrabe ich schnell. Denn ich bin zu sehr angestrengt, um eine Hantel mitzuschleppen. Saufen und Wegwerfen. Kilometer 21, also die Hälfte, erreiche ich nach 1:26:38. Da sind es nur noch 7 Mitläufer um den Pacemaker. Als ich den 3h15-Pacemaker kreuzte, überlege ich mir, ob er mich wohl einholt, wenn ich den Anschluss an die rote Fahne verlieren würde/werde. Ich weiss jetzt schon, alleine könnte ich diese Pace nie laufen. So ist es dann Thomas, der kurz nach Vevey den Anschluss verliert, für mich überraschend, lief er doch so locker. Per Velokurier (Begleiter einer Läuferin), lasse ich ihm einen Gel zukommen. Auch ich würge einen runter, etwas früher als geplant. Das leichte Auf und Ab heisst, ich muss regelmässig investieren um dran zu bleiben. Es heisst aber auch, bei leichtem Gefälle kann ich mich wieder erholen, wenn auch nur minim.




Es ist der 27. Kilometer angebrochen, wo mein Leiden richtig beginnt. Deswegen suche ich die unmittelbare Nähe zum Pacemaker. So läuft es sich besser als mit einigen Metern Abstand, weil die mir immer das Gefühl des Anschlussverlusts geben. Das Zeitpolster hat sich bei ca. 6-7sec pro gelaufenen Kilometer eingependelt. d. h. die bisherige Pace liegt bei 4:09/4:10. Einmal öffne ich schon früh einen Gel, muss aber mangels Wasser auf den Verzehr verzichten. Als dann der erwartete Posten ausbleibt, schlucke ich das Zeugs unverdünnt. Gäbig. Vor allem das klebrige Maul trägt wenig zu einem besseren Laufgefühl bei. Durstgefühl ahoi. Kilometer 33 passiere ich nach 2:18:06. Erst verschafft mir eine längere Abwärtspassage wieder Luft, dann reduziert der Pacemaker leicht bergauf das Tempo, so dass ich zuversichtlich bin über die nächsten Kilometer. Aber auch das Gefühl ist schnell vorbei, weil ja, es ist halt ziemlich anstrengend...
Blick auf die Uhr: längts??
Bis Km 37 kalkuliere ich ein wenig. Dann merke ich, es sollte reichen mit dem 3h-Finish. Das Polster würde ich nur aufbrauchen, wenn die letzten Kilometer über einer 5min-Pace liegen. Jetzt fühlt sich alles etwas verkrampft an, die Atmung, die Beine sowieso und jeder Zentimeter mit minimster Steigung ist mühsam. Auf Nachfrage bestätigt mir der Pacemaker das Zeitpolster sowie die Absicht eines gemütlichen finalen Kilometers. Den letzten Posten lasse ich zur Aufrechterhaltung des Rhythmus' aus. Dann freue ich mich auf die Abzweigung hinunter zum Zielgelände. Der letzte Kilometer ist angebrochen. Und ja, er zieht sich hin. Schlussprint habe ich keinen mehr auf Lager, brauche ich auch nicht. Dann, nach 2:58:07,09 überquere ich die Ziellinie.
di letzte Meter

es längt miter Sub3-Zit




Die Pipipause, die sich schon lange ankündigte, ist jetzt so was von fällig. Ich hole mir rasch die Medaille ab, wanke am ersten Reparaturposten vorbei und zeige dem Porzellan, wer der Chef ist. Entweder ist es die Erschöpfung oder eine leichte Störung meins Gleichgewichtsgefühls, das noch 2-3 Minuten anhält. Dann hört das Wanken auf. An den Reparaturposten hole ich mir alles mögliche: Wasser, Salziges, Süsses, Gratulationen. Unterdessen weiss ich, solches Zeugs hilft enorm, auch wenn das Durst- und Hungergefühl noch völlig fehlt. Kurz darauf treffe ich den Thomas, der zwar seine Bestzeit verpasste, mit 3h04 aber eine überraschend gute Zeit lief, bedenkt man den fehlenden Pacemaker.




Erst mal hinsetzten und plaudern, dehnen und etwas zu mir nehmen, ja das hilft sehr. Ich freue mich über diese tolle Endzeit. Trotz schlechtem Pacemaker konnte ich die Sache durchziehen. Was die ersten vier Kilometer zu schnell waren, das waren die letzten vier zu langsam. Mir ist's egal. Ich danke trotzdem für die Hilfe, alleine könnte ich wirklich wirklich wirklich nie eine solche Zeit laufen. Ja, dennoch fand ich den Pacermaker schlecht, denn am Ende liefen genau 0 Personen mit ihm ins Ziel. Null.

sehr zfride u erschöpft
Mit dieser 2:58er Zeit beträgt meine durchschnittliche Pace sogar 04:12 pro Kilometer. Damit erreiche ich Gesamtrang 38 von 958 und Kategorienrang 17. Dieser Flachmarathon war mir sehr wichtig. Deswegen ist die Freue gross. Das war heute eine harte Sache, wirklich. Härter als so mancher Berglauf. Dass auf ein fortwährend schlechtes Laufgefühl dennoch ein tolles Endresultat hervorlugt, ist eine neue und ebenso überraschende Erfahrung.
isch de schöner blibe auses zersch het usgse




Ha mini schneuschte Schue agleit,
bi igstige ine Zug.
acho im Land vom Wy- u Fonduegnuss,
bi acho, wos grad uftah het.


Ä erwartigsvoui Hautig, het mis Härz so hert la schlah,
dass i es Biud vo mir gse ha, wini scho im Ziu da stah.


U iz bini in Lausanne,
es isch, aus wäri irgendwie amne Ziu.

I bi in Lausanne,
u es isch es unbeschriblechs Gfüueu.




I ha der Geist vom Kipchoge gse,
obe bim olympische Muesum,
bin ihm nache bis uf Vevey,
ha gwüsst, nache mahnim chum.




Ufem Rückwäg hani afa lide, ha gwüsst, es geit no lang,
no öppe 20'000 Tritte, u de ischs i mire Hand.
Eifach dranne blibe, mir Müeh gä, so fescht i cha,
Gring abe u seckle, de bisch under 3 Stund da.




U de bini wider z'Lausanne,
es isch, aus wärs viu z'schnäu verbi.
I bi in Lausanne
S'isch würklech under 3 Stund gsi


Bis irgendwenn, Lausanne!

some photos by alphaphoto.com

Hard. Harder. Hardergrat.

29.09.2019
Ich gebe es zu, den Titel dieses Berichts hatte ich vor dem eigentlichen Run definiert. Ob er nun zutreffend sein wird oder nicht, werde ich sehen. Wohl für keinen anderen Run habe ich so viel Zeit investiert für die Recherche. Heute vor zwei Wochen nahm ich mir ihn ein erstes Mal vor, diesen Grat auf der Nordseite des Brienzersees. Es kam anders. Gleiches die Woche darauf. Nun soll es heute endlich soweit sein. Ehrlich gesagt fürchte ich mich etwas vor dem Tannhorn, dazu gibt es viele Berichte, teilweise sehr unterschiedlich eingeschätzt. Heute ist es an der Zeit...

Tannhorn mit Heiligenschein



Da ich den ganzen Grat beschreiten will, tu' ich das von Ost nach West. Dadurch begehe ich die Schlüsselstellen im vermutlich leichteren Aufstieg und reduziere die Anzahl Höhenmeter. Mit Verspätung starte ich auf dem Brünig auf 1'005m.ü.M. Analog gestern ist ein Prachtstag angekündigt, sozusagen wolkenlos. Bereits nach kurzer Distanz erwartet mich die erste richtige Steigung, wenn auch landschaftlich weniger. Da mich ein ziemlich langer Run erwartet, starte ich gemütlich, früh zu Marschieren ist also keine Schande. Dank ein paar Kühen entdecke ich den Blick auf den gesamten Grat sowie den Brienzersee. Bis hinauf zum Tüfengrat bin ich gedanklich abgelenkt. Für einige Meter folge ich diesem sanften und angenehmen Trail über Gras. Ich erfreue mich den fast sommerlichen Temperaturen. Einzig bin ich erstaunt, wie langsam ich mich dem ersten Zwischenziel nähere, dem Brienzer Rothorn. Vom Brünig bis dorthin sind gemäss meinem Erinnerungsvermögen 5h signalisiert. Eine erste Pause habe ich für die Höch Gumme (2'205m.ü.M.) geplant. Über einen fast flachen, flowigen Trail mit bester Seesicht reizt es mich, etwas Gas zu geben. Ich widerstehe. Dann verpasse ich Glatt den Aufstieg zur Höch Gumme, weswegen ich am Gipfel vorbeizottle, um dann von der Westseite zurückgehen zu müssen. Oben gönne ich mir etwas Verpflegung, ziehe des Windes wegen ein Langes über und schicke ein paar wolkenfreie Fotos in die Cloud.
erster idyllischer Seeblick

schöner Trail

es liegt noch viel Brienzergrat vor mir :-)
Bis zum Brienzer Rothorn bekomme ich einen ersten Vorgeschmack auf den Grat. An zwei-drei Stellen nähert man sich dem Abgrund, wobei das Terrain hier einfach ist. Gegen 200 entgegen kommenden Wanderern begegnen mir bis zum Rothorn, gits ja garnid. Der unschöne Tourisweg endet dann beim Rothorn, auf dem ich zuerst den höchsten Punkt überschreite, um dann meine Wasservorräte sowie meinen Magen aufzufüllen. Kurze Pause nach 2h28. Der Wind bläst mit ca. 50km/h, weswegen die Restaurantterrasse ziemlich ungenutzt bleibt. Wassertank voll, es kann weitergehen. Go West scheint bei den Touris nur eine Erinnerung an einen Song zu sein, denn westlich des Bergrestaurants bin ich plötzlich alleine unterwegs. Fast alleine. Ein erstes Bild vom eigentlichen Grat erhöht die Vorfreude. Vorbei am Schöngütsch (Gipfel ausgelassen), erreiche ich das Lättgässli. Auf der Nordseite des Grats weht ebenfalls Wind, die Sonne kommt hier nicht hin, es wird frisch. Die Betontreppe ist schnell begangen, ein paar Entgegenkommenden weiche ich aus und entdecke deswegen einige Steinböcke. Sie sind zu weit entfernt für ein gutes Foto mit dem Smartphone. Den Chruterepass passiere ich bald darauf. Wo das Weglein schmaler wird oder sich dem Abgrund nähert, marschiere ich natürlich. Ein Entgegenkommender erzählt davon, unweit von hier umgedreht zu haben, noch vor dem Tannhorn. Gelegentliche Fotostopps und zügiges Marschieren prägen ab hier meinen Run. Ebenso eindrücklich wie die Nordwände zeigt sich längst das Tannhorn. Ich hatte es verdrängt, ja ignoriert, obwohl sein markanter Aufschwung so ziemlich jeden Gratschnappschuss prägt. Bis hierhin hielt sich der Schwierigkeitsgrad in Grenzen, man könnte also gefahrlos auf Tempo rennen.
Lättgässli von unten

erster Eindrücke vom Grat

typsicher Wegverlauf

hier wirkt der Gratverlauf wilder als er in Wahrheit ist

scho gli bim Tannhorn

Dann stehe ich beim Tannhorn. Bevor ich den gemäss Hikr T4-T5 klassifizierten Abschnitt in Angriff nehme, verpflege ich mich und pausiere. Der erste Aufschwung wird links umgangen, das Sicherungsseil hängt lose hinunter. Alles kein Problem, südseitig hält sich der Abgrund in Grenzen. Beim nächsten Abschnitt hilft das Seil, welches mir einen vertrauenswürdigen Eindruck macht. Es ginge auch ohne, erst die letzten Meter, wo das Weglein deutlich schmaler und steiler wird, der Abgrund näher kommt und das Festhalten schwierig wird, bin ich froh um das Seil. Beim ersten Gang über den Grat führe ich ein Selbstgespräch, nein ich plaudere mit dem Tannhorn. Meine Botschaft: möge es mir bitte friedlich gesinnt sein.
Schlüsselstelle Tannhorn, der Aufschwung wird links umgangen

erster Gratabschnitt

Blick zurück
Die Gratüberschreitung macht mir wenig aus, rechts wartet der Tod, links möchte ich auch nicht runterfallen, dazwischen liegt ein schmaler, aber dennoch genügend breiter, gut ausgetretener Grat. An dessen Ende kreuze ich eine Gruppe junger Burschen. Mit Hilfe der Hände ist auch der nächste Abschnitt geschafft. Irgendwie erinnere ich mich im Nachhinein an eine schmalere Gratpassage, nur ca. 2-3m lang, dafür etwas unangenehm, weil ein hoher Tritt zuvor den Abgrund ziemlich auf dem Silbertablett präsentiert. Henusode. Es geht alles viel besser als erwartet, so nehme ich die letzten Meter zum Gipfel in Angriff. Das wars. Tannhorn geschafft. Erleichtert bin ich und überrascht. Das Tannhorn war mir wahrlich friedlich gesinnt. Oben gönne ich mir eine Rast, Proviant, Fotos und einen Schwatz mit einem älteren Herren, der mich schon vor dem Allgäuwhoren warnt. 3h34 Laufzeit und gegen 19km sind passé.

schmali Aglägeheit

letzte Meter zum Tannhorn
Der Abstieg zeigt sich dank der durchgängigen Wegspur als einfach, anders wäre das hier weglos übers Gras. Zwei Kreuze mahnen zur Vorsicht. Während ich abwechselnd marschiere und jogge, werfe ich gelegentliche Blicke zurück, denn auch von dieser Seite wirkt das Tannhorn ebenso mächtig wie eindrücklich.
tolles Panorama auf dem Tannhorn

ungefähr Halbzeit auf dem Tannhorn

weiterer Wegverlauf nach dem Abstieg

typischer Wegverlauf
Mein Tempo lässt ziemlich nach. Ich bin bereits im Sparmodus was Flüssigkeit angeht. Weht der Wind mal weniger, steigt die gefühlte Temperatur ziemlich an, entsprechend schweisstreibend ist die Sache. Ein wunderbarer Gratverlauf, steile Graswände und bestes Wetter lassen mich bereits jetzt das Zwischenfazit ziehen: einer meiner bestens Runs ever. Eine Kraxelpassage aufs Allgäuwhoren bringt etwas Abwechslung, aber auch hier nehme ich den Schwierigkeitsgrad wesentlich leichter wahr als teilweise beschrieben.
Blick zurück zum Tannhorn

immer wieder Aufschwünge im Weg: Allgäuwhoren
Ein steiler Abstieg zur Allgäulücke bringt mich wieder näher an die Zivilisation, hier pausieren mehrere Wandermenschen. Unterdessen habe ich den Überblick über all die Hoger verloren, denn es folgt Aufschwung und Aufschwung, das Auf und Ab will keine Ende nehmen. Durstig und etwas hungrig nehme ich das Gummhorn in Angriff. Hier treffe ich noch auf einen alten Bekannten, Dänu Kammer. Er beabsichtigt die Gratbeschreitung in der Gegenrichtung zum Rothorn, wovon ich aufgrund des zeitlichen Fortschritts abrate. Das Gummhorn gefällt mir richtig gut, etwas unscheinbar im Vergleich zu anderen Erhebungen. Pausieren und Geniessen ist angesagt. Meinen Trinkbeutel leere ich nun vollständig. Jawohl, vollständig. Bis zum Harder ist es nicht mehr weit, meine ich ;-)
what a view

Rückblick zur Allgäuwlücke

kurz vor dem Allgäuwhoren

immer wieder ein Hoger im Weg...

Gummhorn
Über den Blasenhubel liesse es sich schneller rennen, wenn man denn noch Energie hat. Da ich am austrocknen bin, eignet sich ein nackter Energygel wenig, und Festnahrung eignet sich während dem Laufen noch weniger. Also jogge ich gemütlich hungrig zum vermeintlich letzten Aufschwung vom Wytlouiwhoren zum Augstmatthorn. Hier geht mir die Puste aus, obwohl ich eher gemütlich unterwegs bin. Einen Zwischenstopp später merke ich, dass die vielen Pausen eher ungünstig auf meinen Wasserbedarf wirken. Aber das kann ich jetzt nicht ändern. Auf dem Augstmatthorn suche ich vergeblich Steinböcke, erinnere mich aber daran, dass ich ja noch welche zu Gesicht bekam nach dem Tannhorn, wenn auch nur aus weiter Ferne. Der kurze Aufstieg zur Suggiture betrachte ich als die letzten Höhenmeter für heute. Ich bin froh, nun alle Aufstiege hinter mich gebracht zu haben. Der Durst plagt mich nun zunehmend, da ändert auch der einsame Steinbock in Richtung Lombachalp wenig.
zurück auf dem Wanderweg

Aufstieg zum Augstmatthorn

Aussicht vom Augstmatthorn


Ich weiss um die ziemlich sportlich signalisierte Wegzeit zum Harder. Je mehr ich mich beeile, desto schneller kann ich meinen Durst löschen. Selbstmotivation. Das ist aber einfacher gesagt als getan, denn mit zunehmendem Durst ständig dem scheinbar erlösenden See entlang zu jufle hat eine gewisse Ironie. Ich gehe förmlich ein, das Tempo reduziert sich mehr als erwartet. Und völlig vergessen hatte ich die kurzen Gegenanstiege, meist nur einige Dutzend Meter hoch, sie nerven dennoch. Bis zum Harder zieht sich mein Run enorm, da ändert auch der kühle Waldweg wenig. Die vielen Wurzeln kann ich nicht mal als Grund angeben für mein Tempo, wie peinlich. Irgendwann naht das Restaurant, wo ich mich eine Viertelstunde niedersetze. Dabei schütte ich nonstop 1,5l Wasser rein, läck tuet das guet. Nun wartet der letzte Downhill auf mich, denn ich eher gemütlich unter die Füsse nehme. Auch dieser Abschnitt kommt mir vor, als hätte ihn jemand extra für mich verlängert.

Suggiture mit Blick zum Harder

EJM für einmal Nebendarsteller

was für ein Trail

cha chum besser si
Nach 6h55 erreiche ich sichtlich erschöpft Interlaken. Hinter mir liegen rund 3'000 Höhemeter und ca. 3'400m Abstieg verteilt auf rund 37 Kilometer. Ein langer Tag geht zu Ende. Ich habe so viele Eindrücke gewonnen, ich kann kaum glauben, dass die alle von einem einzigen Tag stammen.
churzi Zämefassig
Fazit: Das Streckenprofil ähnelt mehr einer Ultralaufveranstaltung als einem sonntäglichen Ausflug. Ob man jetzt die Abschnitte Harder bis Interlaken sowie Brünig bis Brienzer Rothorn anhängen soll, das muss jeder für sich entscheiden. Es ist wahrlich ein harter Run gewesen, mit dem Wassermangel und den vielen Pausen habe ich mir die Sache unnötig schwer gemacht. Die zwei Snickers und zwei Linzertörtli mögen ungenügend erscheinen für eine solche Strecke. Ist es auch. Schliesslich sind es etwas überraschend die 3,2 Liter Wasser, die mir zu wenig waren, weshalb auch immer. Der Titel dieses Berichts ist insofern passend, als dass die Strecke doch eine gewisse Kondition erfordert. Dem gegenüber steht ein deutlich einfacherer Wegverlauf, als man den Zeilen im Netz Glauben schenken mag. Ich habe es wirklich weniger mit ausgesetzten Stellen, aber das heute ging bestens. Die Bezeichnung «Hardergrat» ist insofern ungenau, weil die begangenen Grate Tüfengrat, Riedergrat, Briefengrat, Brienzergrat und Hardergrat gemäss Hörensagen zusammen den Brienzergrat ergeben. Aber egal, gebraucht hat er mich allemal. Die Beschreitung in der Gegenrichtung wäre für mich durchaus denkbar. Insgesamt denke ich mit geschickterer Einteilung, besserer Verpflegung und Kenntnisse über den genauen Verlauf den gesamten Grat in einer Stunde schneller begehen zu können. Bei Nässe würde ich auf eine Begehung verzichten, zwar habe ich kaum einen Fuss auf Gras gesetzt, dennoch sind Matsch und nasse Steine an einigen Stelle ungünstig. Es war für mich übrigens ein Musskriterium, dass auch am Vortag meiner Begehung trockenes bzw. sonniges Wetter ohne Niederschlag herrschte. Das waren perfekte Bedingungen heute. Womöglich habe ich für diesen potenziell letzten Herbsttag die richtige Streckenwahl getroffen.
Souvenir eines geilen Trailruns :-)
Es ist eine wirklich phänomenale Strecke über diesen Brienzergrat. Der Beweis dafür zeigt sich an den vielen Fotos auf meinem Smartphone, meiner Zufriedenheit bei der Ankunft in Interlaken und auch die Tage danach erzählte ich noch Einigen von meinem Run. Und ja, ich habe sogar zwei Mal davon geträumt. Womöglich war der Wassermangel ein buchstäblich traumatisches Erlebnis ;-) Jetzt wo ich einen zeitlichen Anhaltspunkt erhalten habe, wäre eine Begehung mit dem Fokus auf die Zeit reizvoll. Das wird allerdings nicht so schnell passieren, denn mein Dialog mit dem Tannhorn enthielt eine Bettelei um dessen Güte, die ich nicht so schnell wieder in Anspruch nehmen werde. Anders als das Auf und Ab auf diesem Grat war dieses Erlebnis ein einziges Hoch. Ein must für jeden Trailrunner. Grandios.


PS: der folgende Bericht sowie den weiteren Verlinkungen darin lieferten die entsprechende Inspiration.

hello from the other side – Schwalmere 2’777m.ü.M.

20.09.2019
Einer meiner schönsten Ausflüge im vergangenen Jahr war derjenige vom Kiental auf die Schwalmere. Heute soll es wieder die Schwalmere sein, allerdings von der anderen Seite her. Nachdem ich meinen Wecker ignorierte, noch arbeitete und im Stau stand, erreiche ich mittags Zweilütschinen. Alternativprogramm ist vermutlich die falsche Beschreibung, dennoch war mein eigentlicher Plan für heute der Hardergrat. Dennoch ohne schlechte Gefühle jogge ich auf 670m.ü.M. los.
geiler Trail in Richtung Lobhörner
Die paar hundert Meter über die Kiesstrasse lasse ich es gemütlich angehen, Aufwärmen sozusagen. Dann beginnt die Steigung in Richtung Isenfluh. Im Wald verläuft der Weg über Steine, mal im engen Zickzack, mal im weitläufigeren Ziiickzaaack. Mein Puls erreicht ungeahnte Höhen, und das nach wenigen Minuten. Ein paar halbpatzige Versuche, etwas gelassener und mit tieferen Puls unterwegs zu sein, scheitern kläglich. Schnell bin ich nicht, nur fürs Protokoll, aber mein Puls benimmt sich so, als würde ich den Niesen auf Tempo seckle. Ich verlasse den Wald, kreuze die Strasse und sehe erste Häuser. Nach 29min ereiche ich Isenfluh. Die munzige Seilbahn lasse ich natürlich links liegen, stattdessen jogge ich weiter der Strasse entlang, bis der Wanderweg Fortsetzung findet. Eine ungewollte Pause später wegen offenbarer Orientierungslosigkeit setze ich meinen hochpulsigen Lauf fort. Der folgende Abschnitt verläuft über Kies und Steine, mässig steil. Die paar wunderbaren Meter, wo überall ringsherum Moos wächst und jegliche Ausprägungen der Farbe Grün ein tolles Bild ergeben, sind schnell vorbei. Eine kurze Treppe nehme ich im Laufschritt, die ich anschliessend mit einer kurzen Pause büssen muss. Selbst die flachen Abschnitte, die zum Verschnaufen einladen, lassen meinen Puls weniger sinken als erhofft. Wo der Wald endet, da beginnt ein toller Trail über eine Wiese in Richtung Bach. Hier herrschte am Anfang der Laufsaison eine tolle Stimmung, denn der liegen gebliebene Schnee traf auf den herannahenden Sommer. Einige Minuten später erreiche ich das Sulsseewli. Bis hier sind 1h21 vergangen. Dass mir zunehmend die Puste ausging, habe ich früh bemerkt. Dennoch bin ich ziemlich darüber enttäuscht, bis hierhin länger gebraucht zu haben als anfangs Saison.
z'Seeli näbder Lobhornhütte
Am Brunnen trinke ich einen Magen voll Wasser. Es kommt mir nicht in den Sinn, meinen Beutel aufzufüllen. Viel getrunken habe ich noch nicht, aber aus lauter Idiotie schüttete ich vor dem Start in Zweilütschinen reichlich Wasser aus dem Beutel, weil er sich zu schwer anfühlte. Den Abstecher zur Lobhornhütte lasse ich aus. Stattdessen sind die Lobhörner mein Zwischenziel. Bis zur Schwalmere sind ab hier 3h30 Wanderzeit angegeben. Ich mache mich auf den Weg, beginnend im Joggingschritt. Bald darauf muss ich aufgeben und Marschieren ist angesagt. Dummerweise zeigt jetzt mein Puls (immer noch) viel mehr an als üblich. Auf einer kleinen Erhebung zeigt sich mir ein gigantisches Bild von EJM (Eiger, Mönch und Jungfrau). Bis zu den Lobhörnern halte ich durch, dann raste ich einen Moment. Ich merke, zu wenig Wasser bei mir zu tragen, deswegen gehe ich sparsam damit um, was wiederum meinem Durst eher schlecht als recht entgegenwirkt. Beim Vorbeigehen an den Lobhörnern erwarte ich vergebens die im Web beschriebene schwierige Stelle. Ausser potenziellen Steilschlägen sehe ich hier nichts Gefährliches. Zwar sind es nur geschätzte 200m bis zum kleinen Lobhorn, das genügt mir allerdings, mich zu verlaufen. Unterhalb des Wanderwegs quere ich Geröll, schreite dann wieder ein paar Meter ziemlich steil hinauf, damit ich wieder auf dem Weg bin.

genau gstoppt

verbi ade Lobhörner (Bild vom Rückweg)
Hier auf 2'420m.ü.M. wo eine Bergabpassage beginnt, pausiere ich nochmals. Ja, heute geht wenig. Food, Wasser und Gel sind auch wirkungslos. Ich kann nicht mal sagen, zu schnell gestartet zu sein, sondern unabhängig vom Tempo mag ich heute nicht wirklich. Selbst abwärts fällt mir das Joggen schwer. Achja, bei den Lobhörnern schaue ich mir den Wegverlauf zur Sulegg an. Räphu & Rebi waren im Juli dort, aber vermutlich muss ich das auf einen anderen Tag verschieben. Bis hierhin stoppe ich übrigens auf die Hundertstelsekunde genau 2 Stunden Lauf- bzw. Marschierzeit. Der Beginn des Gegenanstiegs zur Schwalmere beginnt sanft. Mein Tagesziel scheint noch in weiter Ferne zu sein. Im eigentlichen Jogginggelände marschiere oder besser gesagt trödle ich von Steinmanndli zu Steinmanndli. Mit der richtigen Steigung beginnt auch das Geröll. Gefällt mir. Die karge Landschaft bringt ironischerweise Abwechslung. Die Zeit vergeht wie im Flug. Das Schneefeld auf dem Sattel, von dem aus es noch genau 100m auf den Gipfel sind, scheint nun nahe zu sein. Eine weitere Pause später wandere ich zum Schneefeld, kreuze es und nehme die letzten Meter unter die Füsse.

s'geit no es Bitzli bis uf z'Güpfi
Nach 2h36 erreiche ich die Schwalmere auf 2’777m.ü.M. Es war ein Kraftakt hierhin, etliche ungewollte Kurzpausen machte die Sache müssig. Jetzt, wo ich hier oben diese Aussicht sehe, ist alles verflogen. Es ist wahrlich der beste Blick auf EMJ überhaupt. Man schaut hier auf das scheinbar kleine Morgenberghorn herab. Der aus weiter Ferne sichtbare Hardergrat löst in mir keinerlei Reue aus, im Gegenteil, angesichts meiner Verfassung bin ich froh, von etlichen zusätzlichen Höhenmetern sowie einer deutlich längeren Distanz abgesehen zu haben. Das intensive Laufgefühl vom Vorjahr fehlt schon ein bisschen und auch die Tatsache, einen Ort ein erstes Mal zu entdecken oder eben wie heute wieder herzukommen ist eine andere Sache. Aber das wertet den heutigen Tag, insbesondere die fabulöse Aussicht hier kes Müggefützi ab. Mir gfauts hie. Seit der Abzweigung unweit der Lobhornhütte begegnete mir keine Menschenseele mehr.

hallo chlins Morgeberghorn
was fürne Ussicht

EJM
Mit den letzten Tropfen Wasser spüle ich ein Linzertörtli runter, dann mache ich mich auf den Rückweg. Jetzt kommen über 2'000 Meter bergab verteilt auf rund 11 Kilometer. Ich freue mich. Übers Schneefeld springe ich wie ein verspielter Welpe. Übers Geröll bin ich meist vorsichtig und gemütlich unterwegs. Bevor die Gegensteigung zu den Lobhörnern beginnt, erfreue ich mich der herbstlich werdenden, richtig flowigen und schönen Wiese. Toll. An deren Ende beginnt der kurze Anstieg von gut 100 Höhenmeter, bevor ich die in Angriff nehme, nehme ich mir noch Zeit zu Posieren vor Eiger, Mönch und Jungfrau. Kurz darauf setze ich meinen leidenden Marschgang fort, zottle vorbei an den Lobhörnern (dieses Mal auf und nicht neben dem Wanderweg).

Poser

es grandioses Panorama
Die Sonne verschwindet hinter dem Lobhorn, erste Schatten bilden sich. Neben dem Seeli beim Brunnen fülle ich den Beutel auf und trinke einen Magen voll Wasser. Läck tuet das guet. Richtig gestärkt nehme ich den Rest in Angriff. Dieser «Rest» ist signalisiert mit 2h30 bis Zweilütschinen, bin schliesslich noch auf 1’980m.ü.M. Nun habe ich es eilig, will ich doch noch Eishockey schauen gehen. Bis Isenflueh komme ich gut vorwärts, ohne Risiko aber zügig naht sich das Ende meines heutigen Trailruns. Im letzten Waldabschnitt ist über die mühsamen Steine nochmals Vorsicht geboten.
Lobhorn

chum, es Biud geit no ;-)
Dann, nach 4h04 Laufzeit (netto) erreiche ich meine parkierte Karre in Zweilütschinen. Ebenso wunderbare wie anspruchsvolle 2'366 Höhenmeter und 22,6 Kilometer liegen hinter mir. So früh ausgepowert wie heute war ich selten noch, trotzdem zeigte sich heute, dass man bei konstantem Tempo gut vorankommt. Die Schwalmere hat sich auf jeden Fall gelohnt. Gerne möchte ich mal im Winter hier herkommen. Eine unschlagbare Aussicht, tolles Gelände und Einsamkeit pur, das ist, was mir hier besonders gefällt. Auf ein andermal…