Matterhorn Ultraks 2019 – geglücktes Saisonhighlight



24.08.2019

3'600 Höhenmeter, 49 Kilometer, gesamte Laufstrecke zwischen 1'600 und 3'100 Metern über Meer, das ist der Matterhorn Ultraks Sky. Er stellt zweifellos mein Highlight und meinen liebsten Lauf dar. Wie es mir 2018 und 2017 erging, erfährst du hier. Ungelogen schöpfe ich gewisse Motivation und Freude aus Fortschritt, also will ich die 8h55 vom Vorjahr schlagen. Ob mir das gelingt, kann ich schwer einschätzen. Höhenmeter machte ich bisher unwesentlich mehr als 2018. Etwas besorgt bin ich, weil ich seit 10 Tagen bereits bei leichtester Betätigung enorm müde Beine verspüre. Vielleicht handelt es sich nur um Vitaminmangel oder so was, oder aber ich fürchte mich vor dem Ultraks ;-).

Zieleinlauf



Höhenprofil
Auf alle Fälle zelebriere ich diese Veranstaltung. Meine Liebsten begleiten mich bei diesem Abenteuer, ein flottes Hotel und gutes Essen gehören dazu. Früh morgens erwartet mich klarer Himmel. Frische Morgenluft, Stille und der Anblick des Matterhorns kündigen einen grossartigen Tag an. Die Vorfreude ist gross. Äs isch agrichtet. Vergangenes Jahr ging es mit der Ernährung vor und während des Laufs so gut auf, dass ich meinte, ich würde mich ein Leben lang daran erinnern, was, wann und wie viel ich damals ass. Aber Gegenwarts-Päscu ist halt ein Jahr älter, ein Jahr vergesslicher und isst deswegen sein gewohntes Nutellaschnittli. Nume kein Experimänt meh wage.

Lümmel im Getümmel


Ohne Aufwärmen starte ich um 7 Uhr weit hinten in den Startblöcken. Mal abgesehen von den Läufern schläft das Dorf noch. Ein paar Frühaufsteher schicken die Läufer durch Zujubeln auf die Reise. Auf dem ersten Anstieg bis Sunnegga freue ich mich über das grossartige Wetter und die angenehme Temperatur. Da ich auch vergass, ob ich den ersten Anstieg anno 2018 joggend oder marschierend absolvierte, laufe ich einfach nach Gefühl. Das Gefühl will meist schneller als der Kopf. Über den flachen Gourmetweg profitiere ich vom schnelleren Anfangstempo, weshalb mir den üblichen Stau erspart bleibt. Gemütlich und locker laufe ich in die ersten Sonnenstrahlen hinein, entledige mich bald darauf meinem Langarmshirt und winke in die Kamera. Auf die Orientierung der Vorjahreszeiten will eeeeigentlich ich verzichten, da ich einige aber auswendig kenne, bin ich mir leichtem Vorsprung auf Sunnegga dennoch bewusst.

erste Sonnenstrahlen vor Sunnegga

soweit alles locker
kurzer downhill vor dem zweiten Anstieg


Km 7,5 - Sunnegga 2'288m.ü.M. - 1h07 - Zwischenrang 237  - Vorsprung Vorjahr = 4min
Nach einem kurzen Stopp am Verpflegungsposten mampfe ich bergab eine kleines Snickers. Ich erhoffe mir generell Zeitgewinn beim downhill, denn bergab-Kilometer machte ich diese Saison sicherlich mehr. Ohne zu eilen, erreiche ich bald den Anstieg zum Gornergrat. Die Steigung über eine meiner Lieblingsskipisten marschiert sich angenehm. Ich orientiere mich vereinzelt am Puls. Aus dem Wald hinaus zeigt sich mir die Läuferschar, die vor mir liegt. Etliche Läufer traben die Serpentinen hoch. Ein Blick zurück beweist mir, dass noch etliche Läufer folgen, Letzter bin ich also nicht. Die Zeit vergeht wie im Flug, der abwechselnd flache, dann wieder steile Weg bietet Abwechslung. Der freie Blick aufs Matterhorn entschädigt dann die unschöne Strasse/Skipiste, die durch Planierraupen bearbeitet wurde. Leicht joggend und ein weiteres Minisnickers mampfend erreiche ich den sehr steilen aber kurzen Anstieg über Geröll hinauf zum Gornergrat. Wer hier joggt (ohne später einzubrechen), ist wahrlich ein harter Hund. Auf dem breiten Grat auf 3’100m.ü.M. zeigt sich die Gletscherpracht, von Dufourspitz über Castor, Pollux, Breithorn, Klein Matterhorn bis Matterhorn. Eine einzige Augenweide. Nicht selten halten hier Läufer für Erinnerungsfotos.

kurzer Halt am Verpflegungsposten Sunnegga
Zeit für ein Foto darf sein

Aufstieg Gornergrat - da sind noch ein paar vor mir ;-)
Km 15,9 - Gornergrat 3'100m.ü.M. - 2h51 - Zwischenrang 211  - Vorsprung 16min
Beim Restaurant gönne ich mir ein Linzertörtli, bekomme von meinen Begleitern edles Kohlensäurewasser serviert und streiche mir vorbildlich Sonnencreme in den Nacken. Downhill steigt mir überraschend der Puls in unerwartete Höhen. Zur Müdigkeit meiner Beine kann ich übrigens noch keine abschliessende Antwort geben, ich verweise auf später... Ich bin bestrebt, bergab zum Riffelberg Tempo zu machen. Hier überhole ich gelegentlich Läufer. Teile des Abschnitts Riffelberg-Riffelalp sind technisch anspruchsvoller. Obacht Päscu, du Tschaupi! Bald darauf erreiche ich eben diese Alp mit dem üppig ausgestatteten Verpflegungsposten, den ich selbstverständlich in Anspruch nehme. Dass ich zeitlich früher dran bin, zeigt sich auch in der geringeren Menge Läufer. Ich hoffe, dass ich im nachfolgenden sehr technischen Abschnitt zur Hängebrücke nochmals von der geringeren Anzahl Mitläufer profitiere, denn üblicherweise verursacht Stau hier Zeitverlust. Es sei erwähnt, bei der Riffelalp kommen die Läufe der kürzeren Distanzen zusammen. Zuerst wartet allerdings ein flacher und leicht ansteigender Abschnitt, wo eben diese Läufer der kürzeren Distanzen üblicherweise die Sky-Läufer überholen. Heute nicht. Mein Tempo passt, ich überhole auch hier vereinzelt, was zusätzlich motiviert.
 

kurz vor dem Gornergrat


steile Meter über Geröll

toller Ausblick

i mah no guet ;-)
Der nun folgende technische Abschnitt ist ein Scheichenbrecherweg. Auch ohne Mitläufer wäre ich hier gemütlich unterwegs. Der Zeitverlust wegen den anderen ist minim. Gelegentlich machen sich Mitstreiter ziemlich unbeliebt, indem sie halb auf, halb neben der Strecke überholen und sich im Lauftempo knapp und mit Einsatz der Ellbogen wieder vor einem einordnen. Bald erreiche ich die Hängebrücke bei der Gornerschlucht, die heute stärker wankt (möglicherweise weil ich sonst weiter hinten bin, die nehmen es gemütlicher). Die letzten Meter zum Verpflegungsposten Furi nutze ich zum Trinken.
 

Gornergrat


voilà
Km 25,4 - Furi 1'867m.ü.M. - 4h09 - Zwischenrang 194  - Vorsprung 31min
Hier erwarten mich wiederum meine Begleiter mit Gel und Getränken. Ich fühle mich gut, wie gut wird allerdings der nächste Abschnitt hinauf zum Schwarzsee zeigen. Nach einer kurzen Pause marschiere ich weiter, dabei überhole ich einige Wanderer – die armen Leute haben bei einem solchen Anlass den falschen Tag fürs Wandern erwischt – und auch einige Läufer. Unschlüssig, ob es sich um einen Adler handelt, luge ich immer wieder zu diesem grossen Vogel, der sich durch Thermik wesentlich schneller in die Höhe schraubt als die Läufer. Im Hintergrund liegt das Monte-Rosa-Massiv, der mächtige Gornergletscher, ein toller Ausblick. Hitze wäre das falsche Wort, dennoch spüre ich hier am Hang die zunehmende Wärme. Die Station Aroleid passiere ich in gutem Befinden, Leiden ist noch in weiter Ferne. Unterdessen marschiere ich sehr zügig, noch nicht am Limit, das wäre verführt. Abweichend zu meiner Trainingsroute von vor 10 Tagen verläuft – so meine ich – der Ultraks weiter oben direttissima über eine Krete, der Wanderweg verläuft flacher, was mir lieber wäre. Hier überholt mich erstmals direkt ein Sky-Läufer Ein zweiter sollte folgen, wobei ich ihn mir später wieder schnappe. Ein tolles Gefühl, denn normalerweise verliere ich bei solchen Anstiegen viel Zeit auf meine Kontrahenten. Generell finde ich diesen Anstieg zum Schwarzsee als Indikator für den weiteren Verlauf, das Filletstück sozusagen. Heute geht es gut, erst gegen Ende der Steigung verabschiedet sich die Leichtigkeit und das Leiden beginn allmählich.

das Bild gibt einen falschen Eindruck über mein Befinden


downhill am essen
Km 29,5 - Schwarzsee 2'583m.ü.M. - 5h10 - Zwischenrang 180  - Vorsprung 36min
Auf Schwarzsee erwarten die Läufer viele Zuschauer und entsprechend viele Zurufe, das macht richtig Freude. So auch bei mir, mein ganzer Begleittross geniess hier die Sonne. Gel, Wasser, zwe Schnitze vore Orangen, etwas Schokolade und Salziges wandern in meinen Magen. Hier dauert die Pause etwas länger. Konträr zur guten Stimmung und vielen Leuten wartet nun der einsame Höhenweg auf mich. Eben dort, wo ich an den vergangenen beiden Jahren wegen Nebel und Wolken schlechte Sichtverhältnisse hatte, ziehen nun erste Wolken auf. Hoffentlich kein Gewitter. Vorher nehme ich aber den Downhill zur Stafelalp in Angriff. In der linken Hand ein zerbröselndes Linzertörtli und in der Rechten mein Trinkbeutel eignen sich weniger gut zum Joggen. Das Futter geht etwas widerwillig runter. Bis zum Einstieg in den Höhenweg erwartet mich noch ein leichtes bergauf-bergab sowie ein paar flache Passagen durch das Flussbett. Hier hole ich andere Läufer ein. Läuft bei mir ;-) Ein flüchtiges Foto von der Matterhorn-Nordwand sollte mein letztes sein für heut’, denn mein Smartphone unbrauchbar geworden. Egal. Der Beginn in den Höhenweg fühlt sich dann wiederum heftig an im Vergleich zum Rest der Strecke. Es ist weder die Steilheit noch die Beschaffenheit des Weges, sondern vermutlich die in den Beinen liegende Distanz sowie die unkonstante Steigung und schwierig einzuschätzende Restdistanz bis zum Ende der Steigung, die mir aufs Gemüt drückt. Ein Läufer überholt mich, ich wiederum ein paar andere, die teils sitzend pausieren, mal still und mal unüberhörbar leiden. Für einen Kilometer benötige ich ganze 19 Minuten. Hoppla. Zwar freunde ich mich langsam aber sicher mit dem Höhenweg, der zweitweise auf fast 2'800m.ü.M. ansteigt, liegen tut er mir dennoch kaum. Als ich dann die flachen Passagen erreiche, jogge ich in guten Tempo weiter. Auch zwei Mountainbiker haben sich für ihr Vergnügen den falschen Tag ausgesucht. Tja. Flach und bergab merke ich nun die bisher zurückgelegte Distanz, die natürlich mein übliches Laufpensum übersteigt und zu einem Delta führt zwischen dem Tempo, dass ich hier joggen möchte und dem, was ich noch joggen kann. Bergab zum Hotel du Trift überhole ich wiederum zwei Läufer.
Brücke bei der Gornerschlucht


Aufstieg Höhenweg
Km 41,6 - Trift 2'337m.ü.M. - 7h09 - Zwischenrang 151  - Vorsprung 49min
Beim letzten Verpflegungsposten bin ich mir meinem Vorsprung gegenüber 2018 bewusst. Auch weiss ich, auf den letzten Kilometern kaum mehr Zeit herausgeholt und viel Energie verbraucht zu haben. Deswegen pausiere ich etwas länger als geplant und verpflege mich nochmals. Die Pause kommt mir gelegen. Dann ist es soweit, die letzten 150 Höhenmeter warten auf mich. Jeder, der es bis hierhin geschafft hat, wird es auch ins Ziel schaffen, so behaupte ich. Mit schwindenden Kräften marschiere ich die leichte Steigung hoch. Hinter und vor mir sind zwei, drei Läufer im Abstand von gegen 100m. Ich weiss noch, wie ich hier vor zwei Jahren litt, das war enorm, ja schier eine Grenzerfahrung. Als dann der letzte Anstieg erreicht ist, erwarten mich einige Schwarznasenschafe am Wegrand. Ein schönes Bild, würde das Smartphone funktionieren. Dann geht es abwärts, zuerst im mässigen Gefälle, später durch die Lawinenverbauungen und weiter im Zickzack, mal steiler, mal weniger steil. Die Läuferin vor mir zieht davon, was mich etwas enttäuscht. Genau hier habe ich mir ein hohes Tempo erhofft, hatte ich doch diesen Sommer mehr downhill-Kilometer gesammelt. Aber die Müdigkeit siegt. Die letzten 3 Kilometer wollen kaum enden. Mir zeigt sich nochmals der Tiefblick hinunter auf Zermatt. Noch ein letztes Mal Ruhe und Einsamkeit. Dann mündet der Wanderweg in das Dorf ein, wo Läufer anderer Distanzen dazu stossen. Ich fühle mich bestens, quere die Bahnhofstrasse und biege auf die letzten Meter ein. Hier warten auch über 3 Stunden nach Einlauf des Siegers noch einige Zuschauer, aber das ist egal, denn meine Liebsten sind alle hier, das zählt. Sie erwarten mich in einem eigens kreierten «Team-Päscu»-Tshirt! Flott, würklech sehr flott!
 
nur noch wenige Meter
Ich finishe den Matterhorn Ultraks Sky in 8 Stunden und 4 Minuten. Damit bin ich 51min schneller als im Vorjahr. Kategorienrang 61 von 199 und Overall 149. von 547 Läufern. Was für ein Lauf! Was hatte ich mich auf diesen Lauf gefreut. Meine Ziele sind übertroffen, meine Hoffnungen und Erwartungen erfüllt, alles lief reibungslos. Mitte Höhenweg ging mir die Kraft aus, aber das spielt jetzt keine Rolle. Einmal in Bewegung, merkte ich von den müden Beinen eigentlich kaum was. Ich bin froh, dass wiederum alles so gut verlaufen ist. Merci an meine Familie, die sich nicht nur Ferientage opfern, sondern auch keine Mühe und Kosten scheuen, um mich zu begleiten, auf mich warten und Geduld zeigen, nur um mich dann für ein paar Sekunden anzutreffen, und wenn ich dann im Ziel ankomme, liegt des Schweisses wegen eine Umarmung kaum drin. Danke viu Mau! Der Zeitvorsprung zum Vorjahr war ungeplant, er hat sich einfach aus dem guten Befinden ergeben. Der dritte Ultraks ist wahrlich ein gelungenes Saisonhighlight 2019. Nachem Marathonisch isch vorem Marathon: no 14 mau schlafe, när wartet der Jungfrou-Marathon. Aber zuerst gönne ich mir eine Dusche, dann ein Rindsfilet und morgen vielleicht ein bisschen Bewegung auf den Wanderwegen.
das alles für einen Fetzen Stoff und eine Medaille ;-)

Fotos by sportograf