14.08.2019
Bereits in zehn Tagen erwartet mich das Saisonhighlight, der Matterhorn Ultraks. Zum Abschluss meiner Sommerferien und wohl als letzte Trainingseinheit vor dem eben genannten Lauf mache ich mich auf den Weg nach Zermatt. Wetter gut, meine ich.
Änet der Kantonsgrenze sieht das überraschenderweise und entgegen der Prognose anders aus.
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versöhnlicher Höhenweg |
Mein eigentliches Programm würde mich steil hinauf via Hotel du Trift zum Mettlen- oder Platthorn führen. Wegen den Wolken und einem inneren Gefühl entscheide ich mich spontan um. Vom Bahnhof starte ich in Richtung Hörnlihütte, es soll meine Premiere sein. Die etlichen beschilderten Wanderwege, ja der Wegweiser am Bahnhof Zermatt sucht wohl seinesgleichen, signalisieren nicht nur Richtungen und Laufzeiten, sie signalisieren wahrlich das sich hier bietende Wander- und Läuferparadies.
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das Eldorado für Läufer und Wanderer |
Durch die Bahnhofstrasse jogge ich gemütlich durch die Meute. Dabei erblicke ich erste blaue Flecken. Nicht an mir, sondern am Himmel. *freu*. Eingangs Wanderweg ergibt sich mir der erste Blick aufs Horu. Es ist die erste leichte Steigung - etwa auf Höhe Hennustall (Apréski ahoi) -, die mir die müden Beine zu spüren gibt. Die vergangenen Wochen waren wohl etwas zu viel oder anders gesagt, ich hätte wohl mehr Erholungszeit nötig. Jedenfalls jogge ich noch ein bisschen weiter, bis dann wenige Minuten später eine Treppe das verfrühte Ende des Joggens darstellt. Jetzt bin froh, mich gegen den einiges steileren Weg zum Mettlenhorn entschieden zu haben. Also marschiere ich halt, das Tempo ist bescheiden. Macht nichts, auch solche Kilometer kann ich für den Ultraks gut gebrauchen. Nach rund 25min erreiche ich Furi und biege dann ab in Richtung Schwarzsee. Hier will ich eigentlich der Ultraksstrecke folgen, verpasse sie dann und folge zwei Herren, die zügig mit Stöcken über den anderen Weg hochmarschieren. Ich hänge mich ihnen an. Ihr Tempo passt gut, ich könnte leicht schneller, aber habe noch einen weiten Weg vor mir. Wie bei Wettkämpfen ist die Einteilung eben auch wichtig. «Wir» überholen etliche Wanderer, schliesslich zeigt sich nun das Wetter wie von seiner prognostizierten Seite, prächtig! Einer der beiden vor mir trägt ein Finishershirt vom Gornergratmarathon 2019, da haben wir etwas gemeinsam. So mit frischen Beinen läuft sich diese Steigung einfacher als beim Ultraks, wo der Schwarzsee etwa Km30 kennzeichnet. Mit «frisch» meine ich natürlich die bisher zurückgelegte Distanz von weniger als 7Km. Der letzte steile Abschnitt über Kies und Steine hatte ich bisher nur mit gebrauchten Beinen erlebt, weswegen der Spassfaktor nun wesentlich höher ist.
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witer geits |
1h16: Beim Schwarzsee pausieren die beiden, ich tu' es ihnen gleich, verputze eine Banane und gehe weiter hinauf. Ich ahne, was mir blüht, nämlich ein Autobahnverkehr. Viele Wanderer sind bereits auf dem Rückweg, noch mehr auf dem Hinweg zur Hörnlihütte. Der einfache Weg führt einem schnell zum Skilift Hirli, wo ich vor drei Jahren den tollen Weg über die Geröllhalde am Gletscher entlang zur Gandegghütte nahm. Ich überlege kurz, mich spontan für eben diesen Weg umzuentscheiden, bleibe dann aber bei meinem Plan. Über Metallgitter führt der Weg einer Felswand entlang. Über zwei, drei Metalltreppen nimmt die Steilheit nun zu. Dass der Weg hier weiss-blau markiert ist, überrascht mich, weil er doch sehr gut ausgebaut und eben an Tagen wie diesen tausendfach begangen ist. Ich habe Mühe, eine Gruppe von ausländischen Bergsteigern abzuschütteln, denn sie sind auch zügig unterwegs. Dann nimmt das Übel seinen Lauf: zuerst überholt mich ein Trailrunner, er schiesst förmlich an mir vorbei. Kurz darauf entdecke ich die Menschen gefüllte Terrasse der Hörnlihütte und zu guter Letzt bin ich es mir jetzt reuig, diese Menschenmasse dem einsamen Mettlenhorn vorgezogen zu haben, mit Marschieren wäre das sicherlich bestens gegangen. Nach 2h14 würdige ich zuerst mal das Panorama hier auf 3'260m.ü.M. Mich wundert immer, wie die Landschaft wohl mit den mächtigen Gletschern von früher aussehen würde. Der Anteil Eis ist nach wie vor Gross, ermöglicht tolle Fotos und viele Erinnerungen, aber man stelle sich nun mal vor, wie es hier vor 100 Jahren aussah. Dann muss mein Proviant dran glauben. Just als sich die Sonne in der Monte-Rosa-Hütte spiegelt, kommt mir die Idee, noch weiter nach oben zum Einstieg des Hörnligrats zu gehen. Näher am Matterhorn zu sein, geht nicht, es geht nur noch näher, wenn man es besteigen will. Erst nach ein paar Fotos entdecke ich zurückkommende Bergsteiger, die gerade die letzten 10 Höhenmeter der Tobleronebesteigung unter Füsse und Arme nehmen. Ebenso diese Arme sind es dann, in denen sich Bergführer und Kunde kurz drauf liegen. Eindrücklich und speziell fühlt es sich an, wenn man anderen beim Erfüllen von Lebensträumen zusieht. Ein kurzer Schwatz mit einem Kanadier und einem Schweizer Bergführer später führe ich meine Laufaktivität fort.
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alle wollen hier hin oder weiter |
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love it! |
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noch mächtig dick und dennoch... |
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chame da mit Turnschüeli ufe?! |
Über den identischen Weg wie hinauf, trödle ich einigen Wanderern bergab hinterher. Es sind einfach zu viele Leute hier. Gemütlich erreiche ich ein Flachstück, wo der Puls dann wieder sportlichere Höhen erreicht. Hier zweigt mein Weg ab zur Stafelalp. Der steile Downhill macht eigentlich Spass, doch meldet sich mein Magen, irgendetwas scheint ihm zu missfallen. Ich jogge noch eine Weile den Schotter hinunter, teilweise halten mich nur meine Schnürsenkel schmerzhaft drückend in den etwas zu lockeren Schuhen. Brauner Schotter und Geröll machen nun Grün und vereinzelten Felsen Platz, ein toller Trail würde hier Tempomachen ermöglichen, aber ich leide etwas. Deswegen gönne ich mir eine Pause, trinke und geniesse die Aussicht. Wiederum überholt mich derselbe Trailrunner, er fragt nach meiner Route. Zögerlich nenne ich ihm den Höhenweg, als er mir dann erklärt, zurück nach Zermatt zu joggen, um dann wieder hinauf zur Gandegghütte auf 3'030m.ü.M. gehen zu wollen, dies als Training für die Ultra Tour de Monte Rosa (170km, 11'300Hm).
Strub. Meine Pause neigt sich dem Ende zu, und weil der Tag noch jung ist, nehme ich mir den Höhenweg vor. Ich kenne ihn nur vom Ultraks, meistens eingenebelt ohne Weitsicht, mit müden Beinen, mindestens körperlich aber auch geistig in einem Tief, kaum enden wollend und stetig ansteigend habe ich ihn - nach diesen Worten wohl wenig überraschend - eher negativ in Erinnerung. Das soll sich nun ändern.
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nächster Halt: Wasserfall (links mittig im Bild) |
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chum mir näme no ä Schluck |
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eh gugg iz |
Vorbei am Flussbett passiere ich einen eher unschönen Streckenabschnitt. Hier wo früher der Zmuttgletscher endete, wird nun gebaggert, gebaut, Wasser künstlich gestaut und die Landschaft verunstaltet. Egal. Unbemerkt verflüchtigten sich meine Magenbeschwerden, so dass ich nach einem kurzen Fotostopp beim Wasserfall sozusagen repariert unterwegs bin. Die mächtige Nordwand des Matterhorns zieht meine Aufmerksamkeit immer wieder auf sich. Mit dieser guten Laune, sich besserndem Befinden und grossartigem Wetter marschiert sich der Höhenweg wesentlich einfacher. Einige Kurzpausen fürs Pinkeln, Trinken, Fotografieren oder einfach nur Bestaunen liegen heute drin. Lieber heute als beim Wettkampf. Von Zmutt bis zum höchsten Punkt des Höhenwegs sind es etwas über 700 Höhenmeter.
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posieren und pausieren |
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ä Troum zum seckle |
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der Höhewäg kenni süsch nume mit Näbu |
Ein paar flache Abschnitte verleiten zum Joggen, wobei minime Gegenanstiege dann wieder die Müdigkeit hervorbringen. Haub so wiud. Ein Schwarznasenschaf und sein Junges posieren schon fast kitschig vor dem Matterhorn. Es ist nun Zeit, mich zu beeilen, schliesslich geht es flach oder bergab vorbei an Höhbalmen zum Trifthotel. Der grossartige Trail, zuerst flowig und dann etwas technischer lässt das Läuferherz höher schlagen. Kombiniert mit der Einsamkeit - insgesamt begegneten mir auf 7 Kilometer 6 Menschen - lässt die Schönheit der Natur noch stärker wirken. Jetzt habe ich definitiv Zufriedenheit für meine heutige Route erlangt. Im Schlussabschnitt zum Trifthotel steigere ich das Tempo, neuerdings macht mit downhill richtig Spass.
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ihres Dahei |
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Klein Matthorn mit grossen Bruder |
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nächste Halt: Hotel du Trift |
Immerhin 25km und 4h20 sind bereits vergangen. Im Schatten vom Gabelhorn gönne ich mir einen Apfelkuchen, trinke, was mein Wasserbeutel nicht mehr hergab, und höre den heimatlichen Tönen eines Alphorns zu. Gemütlichkeit pur. Der morgige Arbeitsbeginn ist zeitlich so nah und emotional doch so fern. Gestärkt und ein bisschen erholt, nehme ich noch ein paar Höhenmeter in Angriff, dann folgt ein steiler downhill direkt nach Zermatt. Ich nutze die Gelegenheit, mal wirklich Gas zu geben. Von der erwähnten Müdigkeit spüre ich nun wenig, wohl wissend, dass dies die letzten Kilometer für eine Weile sein werden, beanspruche ich meine Energiereserven ohne Wenn und Aber. Grossartig, dieser Downhill. Sicherlich mein Topmoment, was bergab joggen betrifft. Ich freue mich schon auf diesen Abschnitt in 10 Tagen und hoffe, dann ähnlich schnell unterwegs zu sein. Den letzten fast flachen Abschnitt ist mir der Puls egal, ich ziehe es nun durch bis zum Bahnhof Zermatt, den ich nach 31km, 2'460Hm und 5h02 erreiche. Schwitzend und keuchend, aber auch lächelnd freue ich mich über diese geilen letzten Kilometer.
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bruchts no Wort? |
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Firabe. |
Nun, mit den etlichen Pausen und der Müdigkeit war das nun alles andere als wettkampfmässig. Anderseits kann an einem Wettkampf mal der Magen rebellieren, und am Ultraks marschiere ich ja auch viel, sogesehen war das ein gutes Training. Bei einem Teller Bolognaise erkenne ich erst, welch tolle Wendung der Tag zu bieten hatte: Wetter gut, Höhenweg noch besser, Downhill top! Ein Grande Finale sozusagen.
Zermatt, auf bald!
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fertig für hüt, fertig Ferie, fertig trainiert. |