ambivalentes Wetter zur Gspaltenhornhütte

31.07.2019
Da ich zu spät dran bin für meine ursprünglich geplante Route im Wallis, fahre ich spontan zur Griesalp im Kiental. Trotz vieler Wolken und Neben meldet Meteo keine Gewittergefahr. Nur halbpatzig konnte ich mir die Route Griesalp-Sefinenfurgge-Gspaltenhornhütte-Gamchi-Griesalp einprägen. Netzempfang gibt es hier kaum, deswegen laufe ich einfach mal los.
immer em Näbu entlang ;-)
Bis zur Sefinenfurgge sind 3h50 signalisiert. Sehen tu' ich gar nichts, denn ich tauche schon bald in den Nebel ein. Irgendwann löst Kies die Asphaltstrasse ab, es geht nur minim aufwärts. Der Beginn des Wanderwegs ist dann allerdings wenig attraktiv, denn er wird landwirtschaftlich genutzt, weswegen ich lange auf einem Strässchen unterwegs bin statt auf einem Weglein. Gelegentlich begegne ich anderen Wandermenschen, immer entgegenkommend. Ja heute sind wohl nur die unterwegs, die noch das Restprogramm einer mehrtägigen Wanderung absolvieren. Der richtige Wanderweg beginnt bei ich-habe-den-Namen-vergessen-und-finde-ihn-auf-die-Schnelle-nicht. Fast drückt die Sonne durch, nur fast. Und nur kurz. Gelegentlich sehe ich wiederum keine 20 Meter weit. Wie das Gelände um mich herum aussieht, ist mir völlig unbekannt. Unmittelbar links sollte eine Felsband sein, auch das sehe ich nicht. Sonnencreme ist heute wohl überflüssig. Das nasse Gras, die Nebelfetzen und der eigenartige Lichteinfall macht die Stimmung richtig mystisch.
Näbu wird immer dichter

tolle Stimmung (kommt auf dem Foto weniger gut rüber)
Die Steigung nimmt nun zu, der Nebel auch. An ein paar Geissen vorbei und ein paar rastenden Gesellen braucht es mich jetzt ziemlich. Frische Beine sind anders. Etwas Geröll macht den Wegverlauf nun interessanter. Ein Energiegel später erreiche ich den Schlussabschnitt, konkret die Treppe zum Passübergang. Die nehme ich nochmal joggend, versuche dabei noch ein Filmchen zu drehen und ein Foto zu machen. Dann bin ich nach 1h21 auf der Sefinenfurgge auf 2'612m.ü.M. Hier oben rasten gegen ein dutzend Leute. Ich halte auch kurz und ziehe mir was Langes über. Die Einfältigkeit meiner Beschreibung passt übrigens so gar nicht auf das Gefühl, das ich bis dahin hatte.
letzte Treppenstufen zur Sefinenfurgge

Passübergang Sefinenfurgge erreicht
Jetzt schaue ich nochmal den weiteren Wegverlauf nach. Noch ein bisschen aufwärts, so gegen 50 Höhenmeter, dann hauptsächlich leicht abwärts oder flach bis zur nächsten Station Gspaltenhornhütte. Selten noch hat mir ein Run so Spass gemacht wie dieser. Im Nebel über Geröll, mal leicht aufwärts, dann wieder abwärts, kaum erkennbar ob Felsaufschwung oder Abgrund, ich bin völlig alleine, habe den ganzen Weg für mich. Ich begegne keiner Menschenseele. Still ist es auch. Zwischenzeitlich frage ich mich, ob hier Steinschlaggefahr lauert, irgendwo muss das Geröll ja her kommen. Eher nicht. Richtig im Flow bereue ich es jetzt keine Sekunde, die Wallisersonne zu verpassen.
auch schön

sieht anspruchsvoll aus, ist es nicht

improvisierter Wegunterhalt
Als ich eine Stelle mit Sicherung erreiche, halte ich kurz, denn der Fels ist Nass, was meinen Cloud-Schuhen schlecht bekommt. Und vor allem sehen die nächsten Meter abschüssig aus. Gemütlich schreite ich voran, um dann zu erkennen, der Weg ist gut ausgebaut und ich hatte das alles falsch wahrgenommen. Unkritisch, also zügig weiter. An einer weiteren Passage sehe ich gegen 10-15 Meter abwärts, da vermute ich einen Abgrund. Es nicht genau zu wissen, was da ein paar Meter neben- oder eben unten dran ist, macht die Sache interessant. Just wo das Geröll endet, gönne ich mir ein Päuschen mit Linzertörtli. Am Anfang war ich noch zügiger unterwegs, dann eher gemütlich geniessend mit tiefem Puls. Nach der kurzen Rast erreiche ich bald die Gspaltenhornhütte auf 2'455m.ü.M. 2h02 sind bisher vergangen (netto).
so gefällt es mir richtig gut

geiler Trail

Gspaltenhornhütte
Die wenigen Gäste sitzen in der Hütte, die Terrasse ist wegen dem Wetter natürlich leer. Ein kurzer Schwatz mit der freundlichen Hüttenwartin später kaue ich an meinem Ragusa, trinke ein Sprudelwasser und erkundige mich nach dem Weg. Er verlaufe über die Moräne, über Brücken und mit Seilen gesichert sei er. Klingt interessanter als der normale Weg. Also mache ich mich auf, zuerst ein Stück zurück, dann abwärts. Bald erreiche ich die imposante Gletschermoräne. Zwar erlaubt mit der Nebel vereinzelt mehr Weitsicht, doch erkenne ich wenig Überreste des Gletschers. Beeindruckend ist die Moräne, steile Abhänge hat sie auch, und etwas traurig macht sie eimich auch, zeigt sie doch das einstige Volumen des Eises. Eine Bachquerung ist mit seinem Seil gesichert, wobei genau in der Mitte ist das Seil nur noch ein dünner Faden. Ich traue dem nicht und nehme dafür einen Gump. Im Frühling oder Herbst, wenn der Fels wegen dem Wasser gefroren ist, könnte es hier noch mühsam sein. Dann biege ich bei einem Wegweiser ab, der Weg geht nun in die Moräne hinein, so vermute ich. Schilder weisen auf zügiges Beschreiten hin, dem will ich natürlich Folge leisten. Über Geröll und Steine gebe ich Gas, vom Gletscher sehe ich nichts. Oder laufe ich darauf? Wohl kaum. Einzig bei einer kleinen Brücke, die eine imposante Schlucht überquert, halte ich ein paar Sekunden. Dann trabe ich munter weiter.
trotz karger Landschaft blüht hier was

Moräne Gamchigletscher

mit Seil gesichert
Es folgen nun gelegentliche Gegenanstiege, nur kurz und einfach. Ich überlege mir schon ein paar Zeilen für den Bericht, doch tu' ich mich schwer, geeignete Wort zu finden für diese tolle Nebelstimmung und mit besonderem Laufgefühl. Ein paar Schafe nehmen es gelassen hin, dass ich an ihnen vorbei schnaube. Dann endet das Geröll vorerst, es weicht einer butterweichen Wiese, wie man sie nur selten erlebt. Wunderbar zu laufen. Dann kreuze ich wieder Menschen, ich habe das Gefühl, schon eine Weile keinen mehr begegnet zu sein. Vorbei an Schafen und Kühen zeigt sich mir nun eine imposante Felswand, die Weitsicht unterhalb der Nebelgrenze nimmt zu. Gamchi passiere ich gemütlich, ziehe dann das Tempo nochmals an. Bald erreiche ich den Grienweg vom Hinweg, kürze ihn ein bisschen ab und erreiche nach 3h21, wunderbaren 20,5 Kilometern und etwa 1'590 Höhenmetern wieder die Griesalp.
Blick zum Gletscherende

Obacht

Gletscherschlucht
älüüüü


Irgendwie kann ich es kaum glauben, ist dieser Run schon vorbei. Das war absolut fantastisch, alles andere als ein Alternativprogramm. Klar, bei gutem Wetter wäre Aussicht zweifellos grandios. Dennoch hatte der Nebel irgendetwas Besonderes. Mir gefällt Geröll und die karge Landschaft dazu. Man nimmt sie dann nochmals viel intensiver wahr, wenn einzig ein paar dutzend Meter um einem herum sichtbar sind. Es kann also auch schön sein, im Nebel zu sein, nicht nur darüber. Eine unerwartet schöne Überraschung vom Wettergott, gepaart mit der Einsamkeit gehört dieser neblige Tag zur Gspaltenhornhütte zu den Highlights dieses Jahres. Da bin ich ungespaltener Meinung... Wetter hin oder her.