hoch hinaus - Skyrun zum Üsseren Barrhorn 3'610m.ü.M.

03.08.2019
Schon eine Weile stehen die beiden Barrhörner, das Innere und das leicht höhere Äussere Barrhorn, auf meiner Todolist. Die gute Wetterprognose soll es heute möglich machen, den höchsten Wandergipfel der Schweiz auf 3'610m.ü.M. zu machen. Machen klingt irgendwie primitiv. Joggen, meine ich.

Päscu ufem Barrhorn 3'610m.ü.M.
Der Stau am Autoverlad kümmert mich wenig, weil auf beiden Talseiten herrscht Sonnenschein. Es ist übrigens meine Premiere im Turtmanntal, dorthin schaffte ich es meines Wissen noch nie. Die im Winter gesperrte Talstrasse wird dann zunehmend schmaler. Mein Blick schweift gelegentlich auf die hier vorherrschende Idylle: urchige Ferienhäusern, in deren Gartenumschwung selbstverständlich zum Mittagsmahl grilliert wird.
links Turtmannhütte, rechts der gleichnamige Gletscher
Kurz vor Mittag starte ich am Ende der Talstrasse. Vorders Sänntum nennt man das unbekannte Örtchen auf 1'901m.ü.M., wo die Parkplätze bereits rar geworden sind. Den ersten Blick auf den Turtmanngletscher habe ich bereits erhascht, auch die Turtmannhütte zeigt sich mir. Zuerst über den Wanderweg verpasse ich den sogenannten Schluchtenweg, bin wohl falsch abgebogen. Etwas schwere Beinchen trage ich noch immer, aber das wird sicher vergehen. Oder so. Vorbei an zwei Stautümpeln bietet sich der nur leicht ansteigende Weg als optimaler Beginn zum Aufwärmen. Heute scheint die Turtmannhütte ein beliebtes Ziel zu sein, der direkte Wanderweg wird jedenfalls intensiv genutzt. Deswegen nehme ich den Steinmmadliweg, ein kleiner Umweg, der allerdings die erhoffte Einsamkeit bietet. Hier lässt die Gletschermoräne die einstige Mächtigkeit des Gletschers nur erahnen. Und dennoch, weiter oben macht mir den Turtmanngletscher einen imposanten Eindruck. Nach lockeren 55min passiere ich die Turtmannhütte.
Hütte (Rückweg)
letzteiszeitlicher Maximus ist längst vorbei
Ab hier verläuft der Weg zum Gässi, die Schlüsselstelle (häufig beschrieben auf hikr.org), sozusagen flach. Durch etwas Geröll nähere ich mich der Passage, die auf den Bildern teils einfach, teils anspruchsvoll aussieht. Zuerst trabe ich allerdings das Geröllfeld hinauf. Huere Zigerschlitz das. Stotzig und müssig zu joggen, weil alles locker ist und jeder zweite Schritt etwas rutscht. Da steigt der Puls schon mächtig. Ein paar Meter später halte ich kurz vor dem Einstieg ins Gässi, das durchgehend mit Seilen gesichert ist. Viel einfacher als gedacht ist die Passage schnell gemeistert. Jetzt bietet sich mir ein Blick auf den Brunegggletscher. Auch die Barrhörner zeigen sich. Hier überhole ich einige Wanderer, die pausieren, umkehren oder sich auf dem Rückweg befinden.
Gässi von unten

Gässi, gesichert mit Seilen
Brunegggletscher


Nach einer kurzen Wasserpause trabe ich weiter meines Weges. Wohl auf einer Moräne bewege ich mich hier abwechselnd über Schutt, Geröll und abgeschliffenem Stein. Die Steigung ist bescheiden, viele Steinnmanndli ergänzen die gut sichtbaren Wegspuren. Mein Blick geht häufig nach oben, iiirgendwie frage ich mich trotz vorgängiger Recherche, wann denn endlich der richtige Höhenmetergewinn folgt. Die 3'000er Grenze ist bald erreicht. Beinahe unbemerkt werden meine Beine schwerer und schwerer, weswegen ich ein kurzes Päuschen gerne willkommen heisse. Übrigens kamen mir einige Trailrunner entgegen, ein kurzer Schwatz hier und da mit Gleichgesinnten liegt immer drin.
typischer Wegverlauf

sieht praktischer aus als es ist

kurz vor dem Schöllijoch
Nun erkenne ich den weiteren Wegverlauf, kein kurzes, sondern ein richtig laaanges Zickzack hinauf wird das. Ich jogge noch so halbpatzig, bis dann auf ca. 3'200m.ü.M. definitiv Marschieren angesagt ist. Beim Skifahren in dieser Höhe rauscht der Puls jeweils zügig in die Höhe, wenn stäckne angesagt ist. Dieses Gefühl vermisse ich ein bisschen, dafür leeren sich meine Beine umso schneller. Über feine Steinchen sind die Schritte nun mühsam, andere schrieben hier von «zwei Schritte vorwärts, einer rückwärts». So schlimm ist es bei weitem nicht, aber griffig ist anders. Irgendwann bemerke ich dann, dass ich direkt auf das Üssere Barrhorn zulaufe. Eigentlich plante ich, übers Schöllijoch noch den 80m tiefen Abstieg auf den Gletscher anzuschauen, dann weiter übers Innere Barrhorn das Tagesziel in Angriff zu nehmen. Item, umkehren werde ich erst oben ;-)

Blick zum Inneren Barrhorn und Schöllijoch

irgendwann wird's richtig anstrengend
Zwei Wanderer sichtete ich bereits aus weiter Ferne, die hole womöglich noch ein. Mir gefällt die karge Landschaft hier gut. Etwas steinig, etwas Geröll, schlicht, das passt mir. Noch ein letzter anstrengender Aufschwung, dann bin ich bald oben. Es ziehen übrigens ein paar Wolken auf. Gerade jetzt. Dann erreiche ich das Üssere Barrhorn endlich. In Laufschuhen, Tshirt und kurzen Hosen versteht sich. Der Weg hier hinauf zog sich immer mehr, mit 2 Stunden und 17 Minuten war ich rund 10 Minuten langsamer als per Pi mal Daumen eingeschätzt.
Panorama Üsseres Barrhorn
Blick nach Norden

Fröidesprung
Ein leichter Wind lässt mich tatsächlich frieren. Ich glaube 7 Grad sind prognostiziert, die fühlen sich nun kälter an als erwartet, Zibeletaktik hin oder här. Dank relativ guter Weitsicht erkennt selbst ein Laie wie ich aus weiter Ferne den Aletschgletscher, Wildstrubel und natürlich die hohen und massiven Walliserberge. PeakFinder paraphiert und nummeriert alles rundherum, damit ich's leicht hab. Die 5 weiteren Menschen hier oben tun es mir gleiche: Staunen, Fotografieren, Frieren. Ich verweile noch in bisschen alleine hier oben. Dann breche ich mir ein Stück vom Felsen ab, packe ihn ein und mache mich auf den Rückweg.
Poser

Gässi von oben

Blick zum Turtmanngletscher
Retour bessert sich zeitweise das Wetter wieder, so liegen doch noch ein paar Fotostopps drin. Die eingehend erwähnte Wanderschar lässt sich hier oben übrigens kaum blicken, die meisten verweilen offenbar in der Turtmannhütte. Also geniesse und beanspruche ich den Weg völlig für mich alleine. Vielleicht liegt der Grund meiner gegenwärtigen Einsamkeit auch im Fortschritt der Uhrzeit, startete ich doch ziemlich spät. Das Schöllijoch und das Innere Barrhorn liess ich zuerst unbewusst dann bewusst aus, so habe ich einen Grund, nochmals hier hin zu kommen. Das Gässi wirkt von oben wie ein Trichter, eindrücklicher als von unten. Aber auch abwärts ist die Begehung einfacher als teilweise beschrieben. In der gut besetzten Turtmannhütte stoppe ich für eine Trinkpause, dann mache ich mich auf vermeintlich direktem Wege hinunter zum Auto. Ach nein, irgendwo folge ich Trittspuren und verlasse ich den Wanderweg, zottle deswegen über Stock und Stein zum Bach, wo ich mich über den Zeitverlust ärgere und für die letzten Meter denn wieder den Wanderweg beschreite.


Nach 19,5km, rund 1'750Hm und 3h45 Laufzeit lade ich meine Schuhe ins Auto ein und kehre noch im Hotel Schwarzhorn ein. Wer gut in Form ist, der kann bis auf 3'600 über den Meeresspiegel hinauf joggen, eindrücklich oder? Ich freue mich, diesen Run gemacht zu haben, die Idylle im Tal und die karge Landschaft oben mit grandiosem Weitblick lädt ein, die Tour zu wiederholen. Dann geht's wieder retour durch den Autoverlad. «Eat, Shower and plan the next day», sagte mal ein weiser Mann...