versöhnlicher Jungfrau Marathon 2019



07.09.2019

Bei meinem dritten Anlauf will ich es besser machen als 2017 und 2018. 2017 verpasste ich die angestrebte Zielzeit von 5 Stunden um eine verfluchte Minute, weil mich ab der Steigung Lauterbrunnen-Wengen erstmals überhaupt Krämpfe plagten. Es waren aber nicht nur die Krämpfe, sondern es war generell ein Kampf, dieser regnerische Jungfrau Marathon 2017, bei dem mehr drin gewesen wäre. Im Folgejahr schaffte ich dann mit 4h55 mein eigentliches Ziel. Einerseits zufrieden mit der Erreichung der Zielzeit unter 5h, machte ich anderseits innert Jahresfrist doch Fortschritte, die sich mit einer Verbesserung vo 6min dennoch wenig auszahlten. Ausgangs Wengen ging wenig und noch vor dem Schlussanstieg über die Moräne verliessen mich die Beine. Fazit: er hat irgendetwas Giftiges, dieser Lauf auf die Kleine Scheidegg, es ist wahrlich ein schwieriger.






Souvenir
So stehe ich also zum dritten Mal am Start in Interlaken. Ich denke, eine Zielzeit von 4h30 könnte möglich sein. Gestern machte ich noch ein paar Kalkulationen, die der Einteilung dienen sollen. Aber noch wichtiger ist mir die Verpflegung, die ich hier irgendwie noch nicht hinbekam. Während am Start die Schweizer Nationalhymne läuft, ordne ich mich direkt hinter dem 4h30-Pacemaker ein. Wegen den gestrigen Schneefällen auf der Kleinen Scheidegg und wegen den kühleren Temperaturen zog ich mir ein langes Höschen über, oben Kurzarm mit einem Rücksäckli – muess länge. Nach dem Startschuss folge ich zahm wie ein Stubentiger dem Pacemaker. Es wird nicht nur kräftig applaudiert am Strassenrand, sondern auch kräftig überholt. Viele Läufer schiessen am Pacemaker vorbei. Ich habe dann auch das Gefühl, er nimmt es ziemlich locker, so dass ich mal noch einen Kontrollblick auf seine Beachflag werfe, auf der die Zielzeit aufgedruckt ist: 4h30 stimmt ;-). Im lockeren Schritt würge ich bis KM 5 etwas feste Nahrung runter, die soll für später dienen. Abgesehen von punktueller Musik und Trychlern wird es bis Bönigen ruhiger am Strassenrand. Rang 216 bzw. 913 overall bei Km 5.



s'geit churzum los




schwäri Hose
Bis Wilderswil habe ich das Gefühl, am Strassenrand Jahr für Jahr die gleichen Gesichter anzutreffen. Die Zeit, oder nein, die Distanz vergeht ziemlich schnell, auch wenn ich immer noch dein Eindruck habe, der Pacemaker läuft bis hierhin äusserst gemächlich. Aber er wird schon wissen, was er tut. Die offensichtliche Ungeduld im Flachen bestraft auf dem weiteren Wegverlauf noch so Manchen. Erst bei Kilometer 9 meine ich eine Temposteigerung festzustellen. Rang 203 bzw. 800 bei Km 10 in Wilderswil. Dieses Jahr lerne ich übrigens aus dem Fehler, nach dem Verpflegungsposten bei KM 10 in Wilderswil, just vor der Brücke, noch Festnahrung für die nächsten Meter mitnehmen zu wollen. Denn es folgt sogleich eine Steigung nach dem Posten, in der der Anstrengung wegen essen nun unpraktisch wäre. Deswegen chätsche ich meinen Geheimfood mit Wasser verdünnt zügig am Posten runter. In der Zwischensteigung laufe ich mit erhöhtem Puls vor dem Pacemaker. Dennoch alles locker bis hierhin. Die paar Meter bergab und später in den Kiesweg verliere ich etwas Zeit, zytewis schlömer änand gägesitig d'Surrbeinli a. Kopfschütteln pur. Okay, ich gebe es zu, beim Geheimfood handelt es sich um Snickers.




 


Km 15, Rang 182 bzw. 694 overall. Auch in Zweilütschinen nutze ich den Verpflegungsposten. Der Pacemaker macht es auch, er soll schliesslich ein Vorbild sein für die Läufer. Hier verteilt sich die Meute etwas besser. Ich nutze die nächsten 400 Meter, etwas Zeit herauszuholen, weil ich mal Pipi muss. Die Hälfte der 20sec Rückstand hole ich zügig auf, für die zweite Hälfte benötige ich mehr Zeit. Zuerst weniger schön unterhalb der Starkstromleitung verläuft die Strecke zunehmend schöner entlang der Lütschine. Ich mag diesen Abschnitt, er bringt Abwechslung zum dominierenden Asphaltteil. Eingangs Lauterbrunnen warten etliche Zuschauer auf die Läufer. Festliche Stimmung herrscht, es liegt der Duft von Bratwurst in der Luft, herrlich. Bis Km21 bin ich bestens auf Kurs, alles fühlt sich locker und geschmeidig an. Die kontinuierliche Rangverbesserung auf 166 bzw. 586 overall entgeht meiner Aufmerksamkeit. Mit etwas Rückstand auf den Pacemaker schütte ich beim Verpflegungsposten ohne Bedacht Bouillon rein. Becherweise, versteht sich. So viel von dem Zeugs wie heute nahm ich in den letzten 24 Monaten nicht zu mir. Den folgenden Abschnitt mag ich wenig, zwar leitet die leicht bergab verlaufende Strasse zum Juflen ein, doch hatte ich hier 2018 meine Mühe. Heute läuft das anders: ich laufe ein paar Meter vor dem Pacemaker, der einfach nicht aufholen will. Mein Puls bewegt sich um die 140, alles locker. Das GPS setzt dann wieder mal aus, wie immer hier in Lauterbrunnen, wo man bei schönen Tagen auf den Rücken liegen muss, um den Himmel zu sehen.

 
the Wall

Nach 25,6 Kilometer endet der flache Teil. Zwischenrang 157 bzw. 560 overall. Ein weiterer Verpflegungsposten und ein weiteres Bouillon später wartet der Anstieg nach Wengen, «the Wall» genannt. Während einige Läufer die Steigung joggend in Angriff nehmen, marschiere ich bereits. Die paar Meter Vorsprung auf den Pacemaker stören mich, will ich doch ein falsches Tempo vermeiden. Und sowieso, wenn er mich hier überholt, dann wäre die Sache geistig gelaufen. Ein paar Rangverluste stören mich zwar wenig, aber ich habe den Eindruck, bergauf mal wieder zu langsam zu sein. Wohl verstanden, ich wähle ein Tempo, das noch weit vom Maximum entfernt ist. Die Angst vor Krämpfen wie 2017 lässt mich die Sache bedachter angehen. Es folgen ein paar hundert paranoide Blicke zurück. Während ich gelegentlich überhole, schreitet der Pacemaker konstant im gleichen Tempo wie ich voran. Okay, mein Tempo passt. Wer sich unten zu fest verausgabte, ja der wird hier ohne Gnade vom Pacemaker überholt und stehen gelassen. PS: Erst gestern zählte ich in einem Video die Anzahl Richtungswechsel hinauf nach Wengen − das hilft mir heute tatsächlich, denn die Steigung kommt mir beim Kurven zählen kurzweiliger vor denn je. «The Wall» habe ich also mühe- und schadlos überstanden. Geilo. Vor und nach Wengenwald warten noch zwei Verpflegungsposten, die ich wiederum beanspruche, obwohl nirgends ein Raclette geboten wird. Schade. Der folgende Abschnitt bis Wengen ist zwar wieder flacher, allerdings behütet mich die Furcht vor einem späteren Einbruch davor, hier zu joggen. Also marschiere ich. Ein Fahnenschwinger zählt laut die Anzahl Läufer, gemäss ihm nehme ich derzeit Gesamtrang 512 ein.


Si d'Biuder unscharf? eifach drufdrücke u separat uftue.

 






tolli Stimmig z'Wengen




In Wengen sind 30Km absolviert. Ab hier beginnt sozusagen ein neues Rennen. Zwischenrang 149 bzw. 510 overall. Ich fühle mich bestens. Der Pacemaker rasselt etwa eine dreiviertel Minute nach mir durch die Zeitmessung. Dem Wetter zum Trotz – kühl, ein paar Tröpfchen, kein Regen, kein Tornado – herrscht hier beste Stimmung. So fägts. Die Schlaufe durchs Dorf kommt mir kürzer vor als in den Vorjahren. Hinauf zur Allmend erwartet mich die mühsame Steigung. Mühsam, weil es sich hier mit frischen Beinen leicht joggt, mit 30Km und 700Hm in den Beinen ist das eine andere Sache. Also wechsle ich ab mit Marschiere und Joggen. Über den Kiesweg hinauf zur Allmi bemerke ich, dass ich nun Plätze gutmache. Der eine oder andere leidet an Krampferscheinungen, ich möchte nicht tauschen. Schnell weg, wehe, wenn Krämpfe ansteckend sind! Hier über die Talabfahrt (hinauf) läuft es sich eigentlich ring, gelegentliche Zwischenanstiege nehme ich marschierend. Langsam wird’s frisch – oder aber ich bin zu langsam unterwegs?! Ich werfe einen ersten Energygel rein. Es läuft. So also fühlt es sich an, wenn man ohne Leiden unterwegs ist am Jungfrau Marathon. Fägt tatsächlech meh. Ich will ja nicht von «Videostudium» sprechen, aber es half schon, mir die Strecke nochmals angeschaut zu haben. Warum? Ja, weil man dazu neigt, nach dem steilen Anstieg Lauterbrunnen-Wengen den weiteren Streckenverlauf bis Wixi zu vernachlässigen. Dann überrascht es nicht, dass die leichte Steigung, kurze Zwischenanstiege und halt die etlichen Kilometer in den Beinen aufs Gemüt drücken. Bis zur Zeitmessung Wixi, es sind deren 38 Kilometer bis dahin, jogge ich also. Nach wie vor nicht am Limit, zu gross die Furcht vor leeren Beinen in der Moräne. Ich kann die Lockerheit kaum glauben. Zwei weitläufige Kurven hinauf sehe ich keine anderen Läufer mehr joggen. Das ist motivierend. Bei einem Blick zurück suche ich den Pacemaker vergebens.




 






churz vor Wixi








3x Jungfrau Marathon




Wixi, Zwischenrang 116 bzw. 387. Bis hierhin schaffte ich es, die Abschnittszeiten der Vorjahre zu vergessen. Nun weiss ich aber um meinen Vorsprung zum Vorjahr. S’chunnt guet. Den Pulli muss ich nicht überstreifen. Vorbei an der Zeitmessung jogge ich die paar Meter bergab zum Sessellift, werfe einen weiteren Gel rein und freue ich auf den letzten Abschnitt. Hier hängt der Nebel tief über die Moräne. Mein Asphaltschüeli ist für die nassen Steine weniger geeignet, wie ich merke. Im ersten Teil des Anstiegs habe ich den Eindruck, vor mir wird getrödelt. Zwar sind merklich weniger Läufer unmittelbar vor und hinter mir als wenn man um die 5 Stunden ins Ziel läuft, trotzdem geht es mir zu langsam. Ich überhole. Erst aus dem Wald hinaus ziehen ein paar vor mir davon, die hinter mir holen wieder auf. Der zweite Teil des Schlussanstiegs, hier auf der Skipiste «Blackrock», nimmt die Steigung zu. Ich ordne mich ein, kann nochmals überholen. Die Waden fühlen sich noch gut an, nur nicht übertreiben sage ich mir. Wenn man nicht bei jedem Schritt leidet, ja dann macht dieser Abschnitt durchaus Spass. So blicke ich nochmals zurück, wiederum ohne den 4h30-Pacermaker zu entdecken. Erst im letzten Abschnitt über die eigentliche Gletschermoräne, wo übrigens trotz den Schneefällen von gestern kein Schnee mehr liegt (die Piste ist auch noch nicht präpariert, was tun die eigentlich den ganzen Sommer lang?!), wird mir klar, ich habe sogar noch Reserven in den Beinen. Ein, zwei Läufer überhole ich, dann begrüsst der Klang des Dudelsacks die Läufer am höchsten Punkt der Strecke. Ein toller Moment. Die paar Meter bergab überstehen mini Wadli abermals schadlos. Noch ein paar letzte Meter hinauf, dann jogge ich hinunter zum Zielraum. Mit jedem Meter warten ein paar Zuschauer mehr auf ihre Liebsten. Dann, nach 04:22:08 finishe ich meinen dritten Jungfrau Marathon. Kategorienrang 106, overall 340 von 3'716 Teilnehmern.





letzte Meter
 






in Gold gehüllt (wi Märsu das nennt)




Endlich, ja endlich lief es mir gut auf diesen 1'829 Höhenmetern von Interlaken auf die Kleine Scheidegg. Dass ich nach Wengen noch aufdrehen konnte, überraschte mich. Überhaupt war es nicht mein Ziel und auch nicht Teil meiner Kalkulation unter 4h30 zu bleiben. Die paar Minuten, die sicherlich noch drin gewesen wären, denen schenke ich jetzt wenig Beachtung. 33 Minuten nahm ich Vergangenheits-Päscu ab. Das freut mich sehr. Ebenso gefällt mir die Rangentwicklung. So gut fühlte ich mich noch nie nach einem Marathon. Bereits auf halber Strecke nach Wengen überholten mich nur noch wenige Läufer. Heute passte die Einteilung bestens, sicherlich dank der 1,5 Liter Bouillon vor- und während dem Lauf ;-) Dass der Ultraks erst 14Tage her ist, davon merkte ich erfreulicherweise nichts. Auch wenn mein Saisonhighlight schon vor zwei Wochen stattfand, so freue ich mich wirklich über diese Zeit und wie gut es mir heute erging. Locker ist vielleicht nicht das zutreffendste Wort, aber ich hatte mich auf einen schwierigeren Lauf eingestellt. Deswegen verabschiede ich mich nicht nur mit einer geilen Schoggitafele, einem grünen Finishershirt und einer Medaille von der Kleinen Scheidegg, sondern auch mit versöhnlichen Gefühlen. Vor zweieinhalb Jahren meldete ich mich erstmals für einen Marathon an, der Jungfrau Marathon sollte es sein. Unterdessen habe ich 13 Marathonläufe hinter mir, und der heute gehört zu den besten.




Hier ein Link für den vollständigen Finisherclip:
https://video.alphafoto.com/member/videoalpha/6ng7XvnQ?culture=de




i cha nume die Pose :-)


10km-Bestzeit in Sarnen

01.09.2019
Bereits zum dritten Mal nehme ich am Switzerland Marathon Light in Sarnen teil. Allerdings nur über die 10km-Distanz, nicht über die Halbmarathonlänge. Die beiden vergangenen Jahre war dieser Lauf Teil des Kombitickets für den Jungfrau-Marathon, dieses Mal entschied ich mich spontan für eine Teilnahme. Obwohl ich noch gestern erst aufs Sigriswiler Rothorn joggte, denke ich, 10 flache und zügige Kilometer liegen trotz dieser kurzen aber intensiven Einheit drin. 2018 blieb ich mit 38min41sec unter 40min, mal schauen, was meine Beine heute hergeben. Seit April lief ich eigentlich keine schnellen Flachkilometer mehr.
s'ligt ke Schlusssprint meh drin
Eine Viertelstunde vor dem Start hole ich eine Startnummer, vom Eventparkplatz via Geldautomat ins Städtchen macht die Sache halt etwas knapp. Ich reihe mich vor dem 40min-Pacemaker ein. Die ganz vorne eingereihten Superschnellen erkennt man meist an ihren Leichtathletikhöschen. Übrigens ist auch exSkiprofi Didier Defago am Start, und auch einer, der heute die Olympialimite schaffen will.
für 10km uf Sarne rendiert zwar nid, aber egau
Nach dem Start gerate ich etwas ins Gerangel. Mein Versuch, da irgendwie rauszukommen endet damit, den ersten Kilometer in vorschnellen 03:41 hinter mich zu legen. Das war jetzt ebenso ungeplant wie locker, denn mein Puls ist noch nirgends und es fühlt sich also keineswegs so schnell an (für mich sind 03:41 schnell ;-). Bereits jetzt fallen ein paar (Zu)Schnellstarter zurück, erst langsam bilden sich Gruppen. Vorne ziehen ein paar Dutzend Läufer wie Gazellen davon. Der zweite Kilometer mit identischem Tempo lässt mich dann wundern, wie das alles so locker geht. Ich seckle munter weiter, immer einer Viergruppe folgend. Die Frau vorne beschwert sich, es sei ja gar nicht flach. Zwar gebe ich ihr Recht, aber die paar minimen Steigungen kann man durchaus aus flach abtun. Gegen Kilometer 4 merke ich erste Anzeichen, etwas zu schnell gestartet zu sein. Das war mir eigentlich schon nach KM1 und KM2 klar. Meine Pace verlangsamt sich. Die eben noch als flach taxierten Steigungen sind es dann, wo ich etwas beissen muss und Zeit verliere. Vergangenes Jahr waren das genau die Passagen, wo ich noch richtig Reserven beanspruchen konnte. Aber wie gesagt, Steigungen sind es eigentlich keine, es geht beispielsweise mal durch eine Strassenunterführung, wo man halt ein paar Sekunden verliert.


Nach der Wende bei Kilometer 5 kreuze ich Märsu. Der ist auch zügig unterwegs. Vermutlich wird er mir am Jungfrau-Marathon wider d’Hüehner itue. Wir klatschen am Mittelstreifen der Strasse ab. Ach ja, der Lauf verläuft einfach über eine Hauptstrasse. Punktuell sind Zuschauer, mal ein paar Musiker, zwei Verpflegungsposten und ein Posten mit Musik, guter Stimmung und einem Fotografen vorhanden. Meine Uhr weicht zwar von der offiziellen Laufdistanz ab, aber die Pace von 03:46 sollte ziemlich genau sein. Und Mario, der auch am Jungfrau teilnimmt, klatsche ich auch noch ab. Auf den letzten zwei Kilometern kommen noch andere Laufdistanzen auf dieselbe Strecke, da muss man schon mal den Weg durch die Meute finden. Ein Typ überholt mich im Affentempo, so schnell, dass ich ihm bei bestem Willen nicht folgen kann. Vergangenes Jahr hatte ich immer einige direkt vor mir, die mich mitzogen, das fehlt heuer. Schade.
Suprise
Für einen Schlusssprint warte ich bis zu den letzten 500 Metern. Nein, meine Beine sagen, ich solle bis 200 Meter vor dem Ziel warten, um dann zu merken, es liegt gar kein Schlusssprint mehr drin. Erst 20m vor dem Ziel wehre ich den Angriff eines Heranstürmenden ab und erhöhe das Tempo für die finalen Schritte. Dann sind die 10km auch schon vorbei. Mit 37min49sec unterbiete ich meine Vorjahreszeit um fast eine Minute. Spätestens nach dem gestrigen Run hatte ich eine schnellere Zeit als 2018 bezweifel. Mit 03:47 hat meine Pace im Verlaufe des Laufes etwas nachgelassen, das interessiert mich aber wenig. Meine Neugier darüber, was wohl möglich gewesen wäre mit ganz frischen Beinen, einem etwas passiveren Start und einem Läufer, der mich zieht, sowie einer leichteren Unterhose und rasierten Beinen, ja diese Neugier ist so schnell verschwunden wie der Regen zwischen Kilometer 2,70 und 2,71. Mit Kategorienrang 14 und 26 overall bin ich natürlich sehr zufrieden. Der Sieger lief die 10km übrigens in unglaublichen 31min. Nach einer Portion Hörnli & Ghackts geht’s auf den Heimweg, noch 6 Mal schlecht schlafen bis zum Jungfrau Marathon. Sympathischer, dieser Sarnerlauf.
Pascal Saurer am Sarnerlauf 2019

uf z'Sigriswiler Rothorn gjuflet


31.08.2019

Genau in der Mitte zweier Marathons entscheide ich mich zögerlich für einen Run aufs Sigriswiler Rothorn. Weder mag ich lange Autofahren, noch reizt mich ein Lauf von zuhause aus, und allzu weit und intensiv sollte der Lauf ja auch nicht sein. So 90min Bewegung in den Bergen würde meinem Gusto entsprechen. Also ab in die alte Heimat! Während in Bern prächtiges Wetter herrscht, ziehen um Eiger & co. erste Wolken auf.


was fürne tolle Run. da recki mir grad a Chopf
Vorbei am Skilift Schwanden, stopfe ich mir beim Parkplatz Bodmi auf 1’422m.ü.M. etwas Züpfe rein. Sie ersetzt neuerdings Energygels. Jüngst erfuhr ich von Märsu, ein hier wohnhafter Bürocompadre und gelegentlicher Kontrahent bei Läufen, dass er 55min aufs Rothorn benötigte. Signalisiert sind 2h40 Wanderer. Ich bin gespannt, wie lange ich brauche. Der Märsel hatte mir ja bis Herbst 2018 saftige 15min auf den Niesen aufgedrückt. Zugegeben, etwas Competition motiviert mich schon, aber ich bin primär hier, weil die gut 700 Höhenmeter verteilt auf 3,7Km landschaftlich richtig schön sind und eben für heute genau das richtige sind. Die Schönheit erfuhr ich vergangenen Herbst bei einem längeren Run, von dem mir besonders die Berglichäle in bester Erinnerung blieb.
Ziel i Sicht
Ich starte eingangs Wanderweg. Er beginnt mit einer leichten Steigung, flacht zwischenzeitlich ab, bevor dann gegen Ende des ersten Kilometers der Weg wieder steiler wird. Hier hat man einen tollen Seeblick. Ich trage einzig ein Gütterli Wasser mit mir, 5dl sind es. Der Weg verläuft mehrheitlich im Wald, einzelne Treppen unterstreichen die Steigung, das brennt dann etwas in den Beinen. Wo ein paar Kühe ruhen, bahne ich mir einen Weg hindurch. Sie bleiben gelassen. Die Übergänge in kurze Flachpassagen gefallen mir gut, ich merke, dieser Run wird grossartig.




Startpunkt Bodmi

Bald erreiche ich die Berglichäle. Zeit um mich umzusehen, fehlt mir heut’. Die ersten Meter komme ich zügig voran. Über etwas steilere und technischerer Passagen sowie vereinzelt höhere Steine bin ich mässig schnell unterwegs. Die Vollendung des zweiten Kilometers geht an meiner Aufmerksamkeit dabei. Es naht bald schon ein leichtes Stück abwärts, gefolgt von minimem auf und ab – ich nenne diesen Abschnitt einfach mal «Bödeli». Dieser Abschnitt macht unheimlich Spass, für mich ist das typisches Trailrunning.

 

Bei einer Abzweigung nehme ich den mir bekannten Weg, wo der Wanderweg über Karst führt. Unten herum gäbe es offenbar auch noch einen Pfad. Kurz darauf büsse ich ein bisschen das schnelle Anfangstempo ;-) Während mir einige Wanderer entgegenkommen, rückt das Rothorn immer näher. Den letzten flacheren Teil über lose Steine freue ich mich schon auf eine schnelle Zeit, denn Kilometer 3 ist längst vorbei und ich nähere mich dem Ziel. Weil die Passage, wo der Einsatz der Hände hilfreich ist, von Runterkommenden besetzt ist, nutze ich das als kurze Verschnauf- und Trinkpause. Dann zottle ich weiter. Diesmal nur auf allen Zweien statt allen Vieren wie letzten Herbst, bringe ich die letzten Meter hinter mich. Nach 41min14sec erreiche ich das Sigriswiler Rothorn, 2’051m.ü.M.

isch doch zügig gange

gueti Ussichte i Richtig anders Seeufer

Richtig Thun gsehts no guet us
 

Da von der falschen Seeseite her bereits Donner hörbar ist und - wie ich in ein paar Minuten sehe - auch von Norden her ein Gewitter naht, kehre ich nach ein paar Fotos und einem Schluck Wasser kurzum um. Nochmal will ich hier nicht ein Gewitter kommen. Den ersten Teil zur Kraxelpassage suche ich mindestens zweimal den richtigen Weg. Ich will hier weder stürzen noch einen verknacksten Fuss riskieren, also laufe ich mit Bedacht. Erst im flacheren Teil beeile ich mich wieder. Innert 10 Minuten hat sich hier ein prächtiger Tag in düstere Stimmung verwandelt. Ein paar Wanderer mahne ich zur Eile.

 
prächtigi Voralpe
 
der Gipfu gan für mi ällei


Ich komme in einen richtigen Flow, das Gelände hier eignet sich bestens für einen zügigen Trailrun. Durch die Bärglichäle kommt es mir vor wie früher, als wir den Schulweg von Tschingel nach Aeschlen jeweils rennend übers Gras hinter uns liessen. Wegen ein paar Geissen, die partout den Wanderweg nicht freigeben wollen, kürze ich weglos und vor allem schadlos ab. Dann überhole ich wieder einige Wanderer, die über mein Tempo beeindruckt sind (so sagen sie). Dieses Lob schreibe ich allerdings meinen über einiges leichteren Schuhen zu. Über die Treppenstufen und wo es nass ist, gehe ich in gelassenem Tempo. Die letzten paar hundert Meter seckle ich wieder zügig. Angekommen beim Ausgangspunkt Bodmi zeigt meine Uhr 1h11min an. Ich muss schmunzeln. Nicht wegen der Zeit, sondern welch’ toller, flowiger Run das doch war. Das hat Wiederholungspotenzial. Kurz und intensiv, was will man mehr?!

 
Blick zum Niderhorn
 
äs het de gli gschüttet wi us Chüble


Wenn ich noch hier wohnen würde, ja dann würde man mich öfters aufs Rothorn joggen sehn. Geile Sache! Home Mountains are the beste Mountains...

Matterhorn Ultraks 2019 – geglücktes Saisonhighlight



24.08.2019

3'600 Höhenmeter, 49 Kilometer, gesamte Laufstrecke zwischen 1'600 und 3'100 Metern über Meer, das ist der Matterhorn Ultraks Sky. Er stellt zweifellos mein Highlight und meinen liebsten Lauf dar. Wie es mir 2018 und 2017 erging, erfährst du hier. Ungelogen schöpfe ich gewisse Motivation und Freude aus Fortschritt, also will ich die 8h55 vom Vorjahr schlagen. Ob mir das gelingt, kann ich schwer einschätzen. Höhenmeter machte ich bisher unwesentlich mehr als 2018. Etwas besorgt bin ich, weil ich seit 10 Tagen bereits bei leichtester Betätigung enorm müde Beine verspüre. Vielleicht handelt es sich nur um Vitaminmangel oder so was, oder aber ich fürchte mich vor dem Ultraks ;-).

Zieleinlauf



Höhenprofil
Auf alle Fälle zelebriere ich diese Veranstaltung. Meine Liebsten begleiten mich bei diesem Abenteuer, ein flottes Hotel und gutes Essen gehören dazu. Früh morgens erwartet mich klarer Himmel. Frische Morgenluft, Stille und der Anblick des Matterhorns kündigen einen grossartigen Tag an. Die Vorfreude ist gross. Äs isch agrichtet. Vergangenes Jahr ging es mit der Ernährung vor und während des Laufs so gut auf, dass ich meinte, ich würde mich ein Leben lang daran erinnern, was, wann und wie viel ich damals ass. Aber Gegenwarts-Päscu ist halt ein Jahr älter, ein Jahr vergesslicher und isst deswegen sein gewohntes Nutellaschnittli. Nume kein Experimänt meh wage.

Lümmel im Getümmel


Ohne Aufwärmen starte ich um 7 Uhr weit hinten in den Startblöcken. Mal abgesehen von den Läufern schläft das Dorf noch. Ein paar Frühaufsteher schicken die Läufer durch Zujubeln auf die Reise. Auf dem ersten Anstieg bis Sunnegga freue ich mich über das grossartige Wetter und die angenehme Temperatur. Da ich auch vergass, ob ich den ersten Anstieg anno 2018 joggend oder marschierend absolvierte, laufe ich einfach nach Gefühl. Das Gefühl will meist schneller als der Kopf. Über den flachen Gourmetweg profitiere ich vom schnelleren Anfangstempo, weshalb mir den üblichen Stau erspart bleibt. Gemütlich und locker laufe ich in die ersten Sonnenstrahlen hinein, entledige mich bald darauf meinem Langarmshirt und winke in die Kamera. Auf die Orientierung der Vorjahreszeiten will eeeeigentlich ich verzichten, da ich einige aber auswendig kenne, bin ich mir leichtem Vorsprung auf Sunnegga dennoch bewusst.

erste Sonnenstrahlen vor Sunnegga

soweit alles locker
kurzer downhill vor dem zweiten Anstieg


Km 7,5 - Sunnegga 2'288m.ü.M. - 1h07 - Zwischenrang 237  - Vorsprung Vorjahr = 4min
Nach einem kurzen Stopp am Verpflegungsposten mampfe ich bergab eine kleines Snickers. Ich erhoffe mir generell Zeitgewinn beim downhill, denn bergab-Kilometer machte ich diese Saison sicherlich mehr. Ohne zu eilen, erreiche ich bald den Anstieg zum Gornergrat. Die Steigung über eine meiner Lieblingsskipisten marschiert sich angenehm. Ich orientiere mich vereinzelt am Puls. Aus dem Wald hinaus zeigt sich mir die Läuferschar, die vor mir liegt. Etliche Läufer traben die Serpentinen hoch. Ein Blick zurück beweist mir, dass noch etliche Läufer folgen, Letzter bin ich also nicht. Die Zeit vergeht wie im Flug, der abwechselnd flache, dann wieder steile Weg bietet Abwechslung. Der freie Blick aufs Matterhorn entschädigt dann die unschöne Strasse/Skipiste, die durch Planierraupen bearbeitet wurde. Leicht joggend und ein weiteres Minisnickers mampfend erreiche ich den sehr steilen aber kurzen Anstieg über Geröll hinauf zum Gornergrat. Wer hier joggt (ohne später einzubrechen), ist wahrlich ein harter Hund. Auf dem breiten Grat auf 3’100m.ü.M. zeigt sich die Gletscherpracht, von Dufourspitz über Castor, Pollux, Breithorn, Klein Matterhorn bis Matterhorn. Eine einzige Augenweide. Nicht selten halten hier Läufer für Erinnerungsfotos.

kurzer Halt am Verpflegungsposten Sunnegga
Zeit für ein Foto darf sein

Aufstieg Gornergrat - da sind noch ein paar vor mir ;-)
Km 15,9 - Gornergrat 3'100m.ü.M. - 2h51 - Zwischenrang 211  - Vorsprung 16min
Beim Restaurant gönne ich mir ein Linzertörtli, bekomme von meinen Begleitern edles Kohlensäurewasser serviert und streiche mir vorbildlich Sonnencreme in den Nacken. Downhill steigt mir überraschend der Puls in unerwartete Höhen. Zur Müdigkeit meiner Beine kann ich übrigens noch keine abschliessende Antwort geben, ich verweise auf später... Ich bin bestrebt, bergab zum Riffelberg Tempo zu machen. Hier überhole ich gelegentlich Läufer. Teile des Abschnitts Riffelberg-Riffelalp sind technisch anspruchsvoller. Obacht Päscu, du Tschaupi! Bald darauf erreiche ich eben diese Alp mit dem üppig ausgestatteten Verpflegungsposten, den ich selbstverständlich in Anspruch nehme. Dass ich zeitlich früher dran bin, zeigt sich auch in der geringeren Menge Läufer. Ich hoffe, dass ich im nachfolgenden sehr technischen Abschnitt zur Hängebrücke nochmals von der geringeren Anzahl Mitläufer profitiere, denn üblicherweise verursacht Stau hier Zeitverlust. Es sei erwähnt, bei der Riffelalp kommen die Läufe der kürzeren Distanzen zusammen. Zuerst wartet allerdings ein flacher und leicht ansteigender Abschnitt, wo eben diese Läufer der kürzeren Distanzen üblicherweise die Sky-Läufer überholen. Heute nicht. Mein Tempo passt, ich überhole auch hier vereinzelt, was zusätzlich motiviert.
 

kurz vor dem Gornergrat


steile Meter über Geröll

toller Ausblick

i mah no guet ;-)
Der nun folgende technische Abschnitt ist ein Scheichenbrecherweg. Auch ohne Mitläufer wäre ich hier gemütlich unterwegs. Der Zeitverlust wegen den anderen ist minim. Gelegentlich machen sich Mitstreiter ziemlich unbeliebt, indem sie halb auf, halb neben der Strecke überholen und sich im Lauftempo knapp und mit Einsatz der Ellbogen wieder vor einem einordnen. Bald erreiche ich die Hängebrücke bei der Gornerschlucht, die heute stärker wankt (möglicherweise weil ich sonst weiter hinten bin, die nehmen es gemütlicher). Die letzten Meter zum Verpflegungsposten Furi nutze ich zum Trinken.
 

Gornergrat


voilà
Km 25,4 - Furi 1'867m.ü.M. - 4h09 - Zwischenrang 194  - Vorsprung 31min
Hier erwarten mich wiederum meine Begleiter mit Gel und Getränken. Ich fühle mich gut, wie gut wird allerdings der nächste Abschnitt hinauf zum Schwarzsee zeigen. Nach einer kurzen Pause marschiere ich weiter, dabei überhole ich einige Wanderer – die armen Leute haben bei einem solchen Anlass den falschen Tag fürs Wandern erwischt – und auch einige Läufer. Unschlüssig, ob es sich um einen Adler handelt, luge ich immer wieder zu diesem grossen Vogel, der sich durch Thermik wesentlich schneller in die Höhe schraubt als die Läufer. Im Hintergrund liegt das Monte-Rosa-Massiv, der mächtige Gornergletscher, ein toller Ausblick. Hitze wäre das falsche Wort, dennoch spüre ich hier am Hang die zunehmende Wärme. Die Station Aroleid passiere ich in gutem Befinden, Leiden ist noch in weiter Ferne. Unterdessen marschiere ich sehr zügig, noch nicht am Limit, das wäre verführt. Abweichend zu meiner Trainingsroute von vor 10 Tagen verläuft – so meine ich – der Ultraks weiter oben direttissima über eine Krete, der Wanderweg verläuft flacher, was mir lieber wäre. Hier überholt mich erstmals direkt ein Sky-Läufer Ein zweiter sollte folgen, wobei ich ihn mir später wieder schnappe. Ein tolles Gefühl, denn normalerweise verliere ich bei solchen Anstiegen viel Zeit auf meine Kontrahenten. Generell finde ich diesen Anstieg zum Schwarzsee als Indikator für den weiteren Verlauf, das Filletstück sozusagen. Heute geht es gut, erst gegen Ende der Steigung verabschiedet sich die Leichtigkeit und das Leiden beginn allmählich.

das Bild gibt einen falschen Eindruck über mein Befinden


downhill am essen
Km 29,5 - Schwarzsee 2'583m.ü.M. - 5h10 - Zwischenrang 180  - Vorsprung 36min
Auf Schwarzsee erwarten die Läufer viele Zuschauer und entsprechend viele Zurufe, das macht richtig Freude. So auch bei mir, mein ganzer Begleittross geniess hier die Sonne. Gel, Wasser, zwe Schnitze vore Orangen, etwas Schokolade und Salziges wandern in meinen Magen. Hier dauert die Pause etwas länger. Konträr zur guten Stimmung und vielen Leuten wartet nun der einsame Höhenweg auf mich. Eben dort, wo ich an den vergangenen beiden Jahren wegen Nebel und Wolken schlechte Sichtverhältnisse hatte, ziehen nun erste Wolken auf. Hoffentlich kein Gewitter. Vorher nehme ich aber den Downhill zur Stafelalp in Angriff. In der linken Hand ein zerbröselndes Linzertörtli und in der Rechten mein Trinkbeutel eignen sich weniger gut zum Joggen. Das Futter geht etwas widerwillig runter. Bis zum Einstieg in den Höhenweg erwartet mich noch ein leichtes bergauf-bergab sowie ein paar flache Passagen durch das Flussbett. Hier hole ich andere Läufer ein. Läuft bei mir ;-) Ein flüchtiges Foto von der Matterhorn-Nordwand sollte mein letztes sein für heut’, denn mein Smartphone unbrauchbar geworden. Egal. Der Beginn in den Höhenweg fühlt sich dann wiederum heftig an im Vergleich zum Rest der Strecke. Es ist weder die Steilheit noch die Beschaffenheit des Weges, sondern vermutlich die in den Beinen liegende Distanz sowie die unkonstante Steigung und schwierig einzuschätzende Restdistanz bis zum Ende der Steigung, die mir aufs Gemüt drückt. Ein Läufer überholt mich, ich wiederum ein paar andere, die teils sitzend pausieren, mal still und mal unüberhörbar leiden. Für einen Kilometer benötige ich ganze 19 Minuten. Hoppla. Zwar freunde ich mich langsam aber sicher mit dem Höhenweg, der zweitweise auf fast 2'800m.ü.M. ansteigt, liegen tut er mir dennoch kaum. Als ich dann die flachen Passagen erreiche, jogge ich in guten Tempo weiter. Auch zwei Mountainbiker haben sich für ihr Vergnügen den falschen Tag ausgesucht. Tja. Flach und bergab merke ich nun die bisher zurückgelegte Distanz, die natürlich mein übliches Laufpensum übersteigt und zu einem Delta führt zwischen dem Tempo, dass ich hier joggen möchte und dem, was ich noch joggen kann. Bergab zum Hotel du Trift überhole ich wiederum zwei Läufer.
Brücke bei der Gornerschlucht


Aufstieg Höhenweg
Km 41,6 - Trift 2'337m.ü.M. - 7h09 - Zwischenrang 151  - Vorsprung 49min
Beim letzten Verpflegungsposten bin ich mir meinem Vorsprung gegenüber 2018 bewusst. Auch weiss ich, auf den letzten Kilometern kaum mehr Zeit herausgeholt und viel Energie verbraucht zu haben. Deswegen pausiere ich etwas länger als geplant und verpflege mich nochmals. Die Pause kommt mir gelegen. Dann ist es soweit, die letzten 150 Höhenmeter warten auf mich. Jeder, der es bis hierhin geschafft hat, wird es auch ins Ziel schaffen, so behaupte ich. Mit schwindenden Kräften marschiere ich die leichte Steigung hoch. Hinter und vor mir sind zwei, drei Läufer im Abstand von gegen 100m. Ich weiss noch, wie ich hier vor zwei Jahren litt, das war enorm, ja schier eine Grenzerfahrung. Als dann der letzte Anstieg erreicht ist, erwarten mich einige Schwarznasenschafe am Wegrand. Ein schönes Bild, würde das Smartphone funktionieren. Dann geht es abwärts, zuerst im mässigen Gefälle, später durch die Lawinenverbauungen und weiter im Zickzack, mal steiler, mal weniger steil. Die Läuferin vor mir zieht davon, was mich etwas enttäuscht. Genau hier habe ich mir ein hohes Tempo erhofft, hatte ich doch diesen Sommer mehr downhill-Kilometer gesammelt. Aber die Müdigkeit siegt. Die letzten 3 Kilometer wollen kaum enden. Mir zeigt sich nochmals der Tiefblick hinunter auf Zermatt. Noch ein letztes Mal Ruhe und Einsamkeit. Dann mündet der Wanderweg in das Dorf ein, wo Läufer anderer Distanzen dazu stossen. Ich fühle mich bestens, quere die Bahnhofstrasse und biege auf die letzten Meter ein. Hier warten auch über 3 Stunden nach Einlauf des Siegers noch einige Zuschauer, aber das ist egal, denn meine Liebsten sind alle hier, das zählt. Sie erwarten mich in einem eigens kreierten «Team-Päscu»-Tshirt! Flott, würklech sehr flott!
 
nur noch wenige Meter
Ich finishe den Matterhorn Ultraks Sky in 8 Stunden und 4 Minuten. Damit bin ich 51min schneller als im Vorjahr. Kategorienrang 61 von 199 und Overall 149. von 547 Läufern. Was für ein Lauf! Was hatte ich mich auf diesen Lauf gefreut. Meine Ziele sind übertroffen, meine Hoffnungen und Erwartungen erfüllt, alles lief reibungslos. Mitte Höhenweg ging mir die Kraft aus, aber das spielt jetzt keine Rolle. Einmal in Bewegung, merkte ich von den müden Beinen eigentlich kaum was. Ich bin froh, dass wiederum alles so gut verlaufen ist. Merci an meine Familie, die sich nicht nur Ferientage opfern, sondern auch keine Mühe und Kosten scheuen, um mich zu begleiten, auf mich warten und Geduld zeigen, nur um mich dann für ein paar Sekunden anzutreffen, und wenn ich dann im Ziel ankomme, liegt des Schweisses wegen eine Umarmung kaum drin. Danke viu Mau! Der Zeitvorsprung zum Vorjahr war ungeplant, er hat sich einfach aus dem guten Befinden ergeben. Der dritte Ultraks ist wahrlich ein gelungenes Saisonhighlight 2019. Nachem Marathonisch isch vorem Marathon: no 14 mau schlafe, när wartet der Jungfrou-Marathon. Aber zuerst gönne ich mir eine Dusche, dann ein Rindsfilet und morgen vielleicht ein bisschen Bewegung auf den Wanderwegen.
das alles für einen Fetzen Stoff und eine Medaille ;-)

Fotos by sportograf

Grande Finale - Hörnlihütte und Höhenweg

14.08.2019
Bereits in zehn Tagen erwartet mich das Saisonhighlight, der Matterhorn Ultraks. Zum Abschluss meiner Sommerferien und wohl als letzte Trainingseinheit vor dem eben genannten Lauf mache ich mich auf den Weg nach Zermatt. Wetter gut, meine ich. Änet der Kantonsgrenze sieht das überraschenderweise und entgegen der Prognose anders aus.
versöhnlicher Höhenweg
Mein eigentliches Programm würde mich steil hinauf via Hotel du Trift zum Mettlen- oder Platthorn führen. Wegen den Wolken und einem inneren Gefühl entscheide ich mich spontan um. Vom Bahnhof starte ich in Richtung Hörnlihütte, es soll meine Premiere sein. Die etlichen beschilderten Wanderwege, ja der Wegweiser am Bahnhof Zermatt sucht wohl seinesgleichen, signalisieren nicht nur Richtungen und Laufzeiten, sie signalisieren wahrlich das sich hier bietende Wander- und Läuferparadies.
das Eldorado für Läufer und Wanderer
Durch die Bahnhofstrasse jogge ich gemütlich durch die Meute. Dabei erblicke ich erste blaue Flecken. Nicht an mir, sondern am Himmel. *freu*. Eingangs Wanderweg ergibt sich mir der erste Blick aufs Horu. Es ist die erste leichte Steigung - etwa auf Höhe Hennustall (Apréski ahoi) -, die mir die müden Beine zu spüren gibt. Die vergangenen Wochen waren wohl etwas zu viel oder anders gesagt, ich hätte wohl mehr Erholungszeit nötig. Jedenfalls jogge ich noch ein bisschen weiter, bis dann wenige Minuten später eine Treppe das verfrühte Ende des Joggens darstellt. Jetzt bin froh, mich gegen den einiges steileren Weg zum Mettlenhorn entschieden zu haben. Also marschiere ich halt, das Tempo ist bescheiden. Macht nichts, auch solche Kilometer kann ich für den Ultraks gut gebrauchen. Nach rund 25min erreiche ich Furi und biege dann ab in Richtung Schwarzsee. Hier will ich eigentlich der Ultraksstrecke folgen, verpasse sie dann und folge zwei Herren, die zügig mit Stöcken über den anderen Weg hochmarschieren. Ich hänge mich ihnen an. Ihr Tempo passt gut, ich könnte leicht schneller, aber habe noch einen weiten Weg vor mir. Wie bei Wettkämpfen ist die Einteilung eben auch wichtig. «Wir» überholen etliche Wanderer, schliesslich zeigt sich nun das Wetter wie von seiner prognostizierten Seite, prächtig! Einer der beiden vor mir trägt ein Finishershirt vom Gornergratmarathon 2019, da haben wir etwas gemeinsam. So mit frischen Beinen läuft sich diese Steigung einfacher als beim Ultraks, wo der Schwarzsee etwa Km30 kennzeichnet. Mit «frisch» meine ich natürlich die bisher zurückgelegte Distanz von weniger als 7Km. Der letzte steile Abschnitt über Kies und Steine hatte ich bisher nur mit gebrauchten Beinen erlebt, weswegen der Spassfaktor nun wesentlich höher ist.
witer geits
1h16: Beim Schwarzsee pausieren die beiden, ich tu' es ihnen gleich, verputze eine Banane und gehe weiter hinauf. Ich ahne, was mir blüht, nämlich ein Autobahnverkehr. Viele Wanderer sind bereits auf dem Rückweg, noch mehr auf dem Hinweg zur Hörnlihütte. Der einfache Weg führt einem schnell zum Skilift Hirli, wo ich vor drei Jahren den tollen Weg über die Geröllhalde am Gletscher entlang zur Gandegghütte nahm. Ich überlege kurz, mich spontan für eben diesen Weg umzuentscheiden, bleibe dann aber bei meinem Plan. Über Metallgitter führt der Weg einer Felswand entlang. Über zwei, drei Metalltreppen nimmt die Steilheit nun zu. Dass der Weg hier weiss-blau markiert ist, überrascht mich, weil er doch sehr gut ausgebaut und eben an Tagen wie diesen tausendfach begangen ist. Ich habe Mühe, eine Gruppe von ausländischen Bergsteigern abzuschütteln, denn sie sind auch zügig unterwegs. Dann nimmt das Übel seinen Lauf: zuerst überholt mich ein Trailrunner, er schiesst förmlich an mir vorbei. Kurz darauf entdecke ich die Menschen gefüllte Terrasse der Hörnlihütte und zu guter Letzt bin ich es mir jetzt reuig, diese Menschenmasse dem einsamen Mettlenhorn vorgezogen zu haben, mit Marschieren wäre das sicherlich bestens gegangen. Nach 2h14 würdige ich zuerst mal das Panorama hier auf 3'260m.ü.M. Mich wundert immer, wie die Landschaft wohl mit den mächtigen Gletschern von früher aussehen würde. Der Anteil Eis ist nach wie vor Gross, ermöglicht tolle Fotos und viele Erinnerungen, aber man stelle sich nun mal vor, wie es hier vor 100 Jahren aussah. Dann muss mein Proviant dran glauben. Just als sich die Sonne in der Monte-Rosa-Hütte spiegelt, kommt mir die Idee, noch weiter nach oben zum Einstieg des Hörnligrats zu gehen. Näher am Matterhorn zu sein, geht nicht, es geht nur noch näher, wenn man es besteigen will. Erst nach ein paar Fotos entdecke ich zurückkommende Bergsteiger, die gerade die letzten 10 Höhenmeter der Tobleronebesteigung unter Füsse und Arme nehmen. Ebenso diese Arme sind es dann, in denen sich Bergführer und Kunde kurz drauf liegen. Eindrücklich und speziell fühlt es sich an, wenn man anderen beim Erfüllen von Lebensträumen zusieht. Ein kurzer Schwatz mit einem Kanadier und einem Schweizer Bergführer später führe ich meine Laufaktivität fort.
alle wollen hier hin oder weiter

love it!

noch mächtig dick und dennoch...

chame da mit Turnschüeli ufe?!
Über den identischen Weg wie hinauf, trödle ich einigen Wanderern bergab hinterher. Es sind einfach zu viele Leute hier. Gemütlich erreiche ich ein Flachstück, wo der Puls dann wieder sportlichere Höhen erreicht. Hier zweigt mein Weg ab zur Stafelalp. Der steile Downhill macht eigentlich Spass, doch meldet sich mein Magen, irgendetwas scheint ihm zu missfallen. Ich jogge noch eine Weile den Schotter hinunter, teilweise halten mich nur meine Schnürsenkel schmerzhaft drückend in den etwas zu lockeren Schuhen. Brauner Schotter und Geröll machen nun Grün und vereinzelten Felsen Platz, ein toller Trail würde hier Tempomachen ermöglichen, aber ich leide etwas. Deswegen gönne ich mir eine Pause, trinke und geniesse die Aussicht. Wiederum überholt mich derselbe Trailrunner, er fragt nach meiner Route. Zögerlich nenne ich ihm den Höhenweg, als er mir dann erklärt, zurück nach Zermatt zu joggen, um dann wieder hinauf zur Gandegghütte auf 3'030m.ü.M. gehen zu wollen, dies als Training für die Ultra Tour de Monte Rosa (170km, 11'300Hm). Strub. Meine Pause neigt sich dem Ende zu, und weil der Tag noch jung ist, nehme ich mir den Höhenweg vor. Ich kenne ihn nur vom Ultraks, meistens eingenebelt ohne Weitsicht, mit müden Beinen, mindestens körperlich aber auch geistig in einem Tief, kaum enden wollend und stetig ansteigend habe ich ihn - nach diesen Worten wohl wenig überraschend - eher negativ in Erinnerung. Das soll sich nun ändern.
nächster Halt: Wasserfall (links mittig im Bild)

chum mir näme no ä Schluck

eh gugg iz
Vorbei am Flussbett passiere ich einen eher unschönen Streckenabschnitt. Hier wo früher der Zmuttgletscher endete, wird nun gebaggert, gebaut, Wasser künstlich gestaut und die Landschaft verunstaltet. Egal. Unbemerkt verflüchtigten sich meine Magenbeschwerden, so dass ich nach einem kurzen Fotostopp beim Wasserfall sozusagen repariert unterwegs bin. Die mächtige Nordwand des Matterhorns zieht meine Aufmerksamkeit immer wieder auf sich. Mit dieser guten Laune, sich besserndem Befinden und grossartigem Wetter marschiert sich der Höhenweg wesentlich einfacher. Einige Kurzpausen fürs Pinkeln, Trinken, Fotografieren oder einfach nur Bestaunen liegen heute drin. Lieber heute als beim Wettkampf. Von Zmutt bis zum höchsten Punkt des Höhenwegs sind es etwas über 700 Höhenmeter.
posieren und pausieren

ä Troum zum seckle
der Höhewäg kenni süsch nume mit Näbu
Ein paar flache Abschnitte verleiten zum Joggen, wobei minime Gegenanstiege dann wieder die Müdigkeit hervorbringen. Haub so wiud. Ein Schwarznasenschaf und sein Junges posieren schon fast kitschig vor dem Matterhorn. Es ist nun Zeit, mich zu beeilen, schliesslich geht es flach oder bergab vorbei an Höhbalmen zum Trifthotel. Der grossartige Trail, zuerst flowig und dann etwas technischer lässt das Läuferherz höher schlagen. Kombiniert mit der Einsamkeit - insgesamt begegneten mir auf 7 Kilometer 6 Menschen - lässt die Schönheit der Natur noch stärker wirken. Jetzt habe ich definitiv Zufriedenheit für meine heutige Route erlangt. Im Schlussabschnitt zum Trifthotel steigere ich das Tempo, neuerdings macht mit downhill richtig Spass.
ihres Dahei

Klein Matthorn mit grossen Bruder

nächste Halt: Hotel du Trift
Immerhin 25km und 4h20 sind bereits vergangen. Im Schatten vom Gabelhorn gönne ich mir einen Apfelkuchen, trinke, was mein Wasserbeutel nicht mehr hergab, und höre den heimatlichen Tönen eines Alphorns zu. Gemütlichkeit pur. Der morgige Arbeitsbeginn ist zeitlich so nah und emotional doch so fern. Gestärkt und ein bisschen erholt, nehme ich noch ein paar Höhenmeter in Angriff, dann folgt ein steiler downhill direkt nach Zermatt. Ich nutze die Gelegenheit, mal wirklich Gas zu geben. Von der erwähnten Müdigkeit spüre ich nun wenig, wohl wissend, dass dies die letzten Kilometer für eine Weile sein werden, beanspruche ich meine Energiereserven ohne Wenn und Aber. Grossartig, dieser Downhill. Sicherlich mein Topmoment, was bergab joggen betrifft. Ich freue mich schon auf diesen Abschnitt in 10 Tagen und hoffe, dann ähnlich schnell unterwegs zu sein. Den letzten fast flachen Abschnitt ist mir der Puls egal, ich ziehe es nun durch bis zum Bahnhof Zermatt, den ich nach 31km, 2'460Hm und 5h02 erreiche. Schwitzend und keuchend, aber auch lächelnd freue ich mich über diese geilen letzten Kilometer.

bruchts no Wort?

Firabe.
Nun, mit den etlichen Pausen und der Müdigkeit war das nun alles andere als wettkampfmässig. Anderseits kann an einem Wettkampf mal der Magen rebellieren, und am Ultraks marschiere ich ja auch viel, sogesehen war das ein gutes Training. Bei einem Teller Bolognaise erkenne ich erst, welch tolle Wendung der Tag zu bieten hatte: Wetter gut, Höhenweg noch besser, Downhill top! Ein Grande Finale sozusagen.


Zermatt, auf bald!
fertig für hüt, fertig Ferie, fertig trainiert.