08.09.2018
Jungfrau Marathon zum Zweiten |
Es war einfach gesagt: Zielzeit unter 5 Stunden. Punkt. Natürlich ist das Ziel immer a) überleben b) unverletzt bleiben c) ankommen und z) Spass haben. Irgendwo dazwischen darf auch mal eine zeitliche Erwartung Platz haben. Ungerne orientiere ich mich an einer Zeit und somit einer Erwartung. Schuld daran ist eigentlich das Anmeldeverfahren im 2017, als die ungefähr erwartete Zielzeit für die Startblockeinteilung angegeben werden musste. Egal ob Bauchgefühl, Kalkulation, Vergleichsläufe, Hochrechnungen oder Ego, ich kam immer auf diese 5 Stunden. Tatsächlich waren es im 2017 am Ende 66 Sekunden mehr, also 5 Stunden und eine verfluchte Minute irgendwas. Das ärgerte mich. Stau in der Moräne und Pipipause hin oder her.
Nun hatte ich also 52 Wochen das Ziel gehabt, 66 Sekunden schneller zu sein. Lange hinkte ich in diesem Jahr meinem Trainingsumfang vom 2017 hinterher. Und als ich dann endlich gemäss meinen Zahlen besser in Form sein sollte, verlor ich beim Gornergrat Marathon anfangs Juli rund 40 Minuten auf meine Zeit vor Jahresfrist. Stand Ende August hatte dieses Jahr eineinhalb Mal mehr Höhenmeter absolviert. Warum? Ja, ich hatte am Jungfrau Marathon 2017 erstmals in meinem Leben Krämpfe. Im Job kenne ich das, für den Oberschenkel und die Wade war das neu. Jedenfalls wollte ich das vermeiden und in diesem Sommer zog es mich mehr in die Berge als an die Aare.
Die letzten beiden Läufe zuvor war ich einiges schneller als im Vorjahr, beim Matterhorn Ultraks ganze 1h25min (14%) , am 10km-Run in Sarnen überraschte ich mich mit meiner Pace von 03:52min pro Km selber (=6% schneller). Also Begann ich eine Woche vor dem Jungfrau neu zu rechnen. Oder zu raten. Oder zu was auch immer. Immer im Bewusstsein, dass ich erst vor 14 Tagen 49km und 3'600 Höhenmeter hinauf und hinunter absolvierte. Gut, die Rechnerei nervte und ich wollte, dass es endlich los geht.
Der letztjährige Trubel am Start blieb irgendwie aus, hatte ich doch die verbissenen Zuspätkommer mit breiten Ellbogen noch bestens in Erinnerung, Saisonhighlight und so, versteht sich. Alles locker. Das Wetter war, ja wie soll ich es ausdrücken... es war angerichtet. So wie man es sich nur wünscht: Sonnenschein, gute Weitsicht, Vorfreude pur. Das rote Tenue hätte meinem Vater gefallen. Jedenfalls reihte ich mich am Ende des 04:30 Blocks ein. Nicht etwa, um diesem Pacemaker zu folgen, sondern ich wollte dort starten, wo ich ins Ziel kommen wollte: knapp unter 5 Stunden.
Selfietime vor dem Start |
Es ging unspektakulär los. Bei Km 3 schwitzte ich schon übel, obwohl mein Puls tief war. Ich hatte mir vorgenommen, im Flachen bis Km 25,6 eine im Durschnitt mindestens 10 Schläge tiefere Herzfrequenz zu haben. Es widerstrebt mir, abzuwarten und langsam zu starten. Würde ich doch gerne im Flachen Gas geben. Die ersten 5, 10, ja 15 Km vergingen zügig. Ich behielt meinen Zeitvergleich 2017 und die Soll-Pace für 5 Stunden im Auge. Gewollt langsamer als letztes Mal, aber alles gut. Ausgangs Lauterbrunnen dann die Überraschung, der 5h-Pacemaker war direkt hinter mir. Hatte mich wohl verkalkuliert. Oder er sich?! Bergauf ging dann anders als im Vorjahr wieder gut, ich wurde dieses Mal nicht 198 Mal überholt und konnte sogar auf den Puls achten. Sogar 100 Plätze aufgeholt. Oben dann ein tolles Gefühl, vor mir bleiben einige Läufer mit Krämpfen auf der Strecke, so hatte ich auch ausgesehen vor 365 Tagen, dieses Mal ging es wunderbar. Durch Wengen war die Stimmung toll. Den Pacemaker konnte ich etwas distanzieren.
kurz vor Wengen |
tolle Unterstützung in Wengen. das macht Freude! |
Bei der Allmend wollte ich eigentlich zulegen. Jetzt konnte ich aber irgendwie nicht mehr... ich schaffte es nicht, mich in den Bereich zu bringen, wo es wehtut, wo man richtig mit sich kämpfen muss. Ich fühlte mich grossartig, nix mit Leiden wie im Vorjahr. Aber so einfach den Schalter umlegen geht irgendwie nicht oder ich habe ihn jedenfalls nicht gefunden. Also halt weiter im angenehmen Tempo. Der 5h Pacemaker kam zwischenzeitlich näher.
Wixi |
am Ende der Moräne erfreut man sich den Klängen des Dudelsacks |
Bei Wixi prüfte ich nochmals die Zeiten: ca. 7min Vorsprung auf meine letztjährige Zeit, das muss reichen. Ich war ziemlich erleichtert, denn das erneute Verpassen meiner Zielzeit hätte mich richtig geärgert. Glücksgefühle vor dem letzten Aufstieg. Die Moräne hinauf war dann die Luft draussen. Zuerst im Kopf, dann verabschiedeten sich meine Oberschenkel langsam. Ich hielt bei jedem Verpflegungsposten an. Mitten in der Moräne stoppte ich für einen kurzen Blick zurück: Der Pacemaker war noch weit weg, die Kulisse sehr eindrücklich. Die letzten Meter bergab ging ich locker an. Ein Läufer machte seiner Flamme einen Heiratsantrag. Süss.
Mit 4h55 erreichte ich mein Ziel. Das war ein schöner Lauf und meine Einteilung richtig gut. Ohne Krämpfe, ohne Leiden, mit tollem Wetter, guter Stimmung, das Ziel erreicht. Das hat richtig Spass gemacht! Vielleicht hätte ich etwas schneller sein können, ich will aber auch nicht wissen, wie es gekommen wäre, wenn der 5h Pacemaker mich überholt hätte. Da wär mir der Lade abe.
Vielen Dank an meine Helfer! Ich sage es immer wieder: es ist ein riesen Unterscheid, wenn jemand im Ziel wartet. Merci. Bis nächsts Jahr ufder Chline Scheidegg, i fröim mi. Das mau würklech.