im Kriechgang über den Glacier3000


04.08.2018
kurz vor dem Start. Die Stimmung euphorisch, die Wetterlage top!




Ich habe gut trainiert. Meinte ich. Es sind nur 26,2 Kilometer. Meinte ich. Bergauf wird es sicher gut gehen. Meinte ich. Der Glacier3000-Run kam dann eben anders, als ich meinte.


Dieses Mal verzichtete ich auf die unnötige Hektik. War ich doch letztes Jahr sauspät aus dem Haus gegangen, um dann erst in Kandergrund zu bemerken, dass ich ins falsche Tal fuhr. In der Routine wollte ich damals ins Wallis, musste aber eigentlich nach Gstaad. Toll. Dann hatte ich noch 8min vom Parkplatz bis zum Startschuss. Eigentlich geil, denn gemäss Navi (ja, zur Sicherheit fuhr ich den Rest mit Navi) wäre ich erst 10min nach dem Start in Gstaad angekommen. Also schlüpfte ich direkt in die Trailschuhe ohne neuen Knoten. 3min vor dem Start hatte ich meine Startnummer. Radikales Aufwärmen. So also startete ich die Marathondistanz zum damaligen Jubiläum des Laufs.


Ich bin jetzt ein Jahr schlauer und besser vorbereitet. Morgens herrschen über 20 Grad in Gstaad, es wird heiss. Ich starte also gemütlich, der Weg führt zuerst aus dem Dorf hinaus über Strassen und an verhältnismässig vielen Zuschauern vorbei. Im Schatten ist es temperaturmässig sehr angenehm, genauso am Bach entlang. Es geht in eine kleine Steigung im Wald, da sind vor mir zwei Läufer, die ich noch vom letzten Jahr kenne. Sie trugen damals Finishershirts vom Jungfrau Marathon, liefen und plauderten zusammen, entmutigten mich später heftig im ersten Teil der Steigung und zogen davon, bis ich sie überraschend im Mittelabschnitt wieder überholen konnte. An denen kann ich mich wieder orientieren, mente ich. Also überholte ich die beiden, denn ich war ja letztes Jahr schon schneller als die und dieses Jahr noch besser trainiert. Zudem sind es nur 26 statt 42 Kilometer. Die Steigung war kurz, der Waldabschnitt macht deutlich mehr Spass als die Kilometer auf der Strasse. Es folgt noch ein Abschnitt über Wiesen und schon bald nähere ich mich Reusch.


In Reusch (15,6Km) wartete meine Mutti, ich plauderte kurz mit ihr und verpflegte mich vor der Steigung. Fühlte mich gut. Ich hatte mir vorgestellt, wie ich dieses Jahr ohne einzubrechen hochkomme, geschätzte Endzeit 3h30-3h45. Es nervt halt, wenn man schon mit sich selbst kämpft und dabei noch von anderen überholt wird. Also ich versuchte beim Start der Steigung zu rennen, ich will ja überholen. Das funktionierte vorerst. Dann überholten mich einige Läufer und Läuferinnen, die waren meistens in der Staffel unterwegs und somit frisch. Ich verlor weiter Plätze, ich musste bald marschieren und mein Marschiergang ist halt langsamer als derjenige von andern. Im Aufstieg zur Oldenegg brach ich letztes Mal übel ein und dieses Mal ging es zwar wesentlich besser, aber ich war schlichtweg zu langsam. Adiós Zuversicht.
schöner Verlauf entlang der Skipiste




Angekommen auf der Oldenegg freute ich mich auf Verpflegung. Hoffte ich irgendwie auf den gleichen Boost wie letztes Jahr, also ich fast aufgeben musste und dann wie angeschossen plötzlich zu Energie und Motivation kam, aufdrehte und mich wirklich gut fühlte. Der erhoffte Boost bliebt aber aus. Ich hatte Mühe, wenig Kraft, musste zwei-drei Mal pausieren. Es geht hier der Skipiste einer Felswand entlang, das gefällt mir eigentlich sehr gut. Ich schleppe mich frustriert zur Cabane. Die beiden eingangs erwähnten Läuferkollegen waren längst an mir vorbeimarschiert. Mist. Nochmals ein kurzer Verpflegungsstopp und viel Hoffnung, nun wieder aufzudrehen.
müssiger Aufstieg zur Cabane. Ich dachte, dieses Jahr geht es wieder so flott...





Blick von der Cabane auf den letzten Streckenabschnitt. Jetzt geht's ans Eingemachte.
so steil der Aufstieg ist, er macht trotzdem Spass. Auf meinem Rückweg mühen sich etliche Läufer erst noch hoch.


Der letzte Teil hat es in sich. Es geht zuerst über Geröll sehr steil hinauf, einige
haben grosse Mühe, sie pausieren. Es geht bei mir so lala. Geistig habe ich mit dem Lauf schon abgeschlossen, hatte ich mich doch so gefreut, ging es nun viel weniger gut als erwartet. Dann weiter oben geht es über felsiges Gelände, das vermutlich durch den Gletscher geschliffen wurde. Diesen Teil hatte ich weniger anstrengend in Erinnerung. Dann naht er langsam, der Gletscher, darauf freue ich mich schon lange. Ein paar Marschminuten später betrete ich Schneematsch statt Eis. Ein bisschen geil. Rennen mag ich kaum noch, mein Fuss versinkt im Schnee, es sieht irgendwie anders aus. Die Temperatur setzt dem Gletscher zu, denn er sieht schlecht aus, irgendwie trostlos. Ein paar Touris werfen sich Schneebälle zu, bestaunen das Gelände. Im Winter und schneebedeckt macht der Gletscher optisch sicher einen viel schöneren Eindruck. Die Gletscherpassage ist dann viel zu schnell vorbei und es geht nochmals über einen Weg hinauf zu den letzten Treppen ins Ziel. Die Zuschauer warten, man hört den Speaker aus der Distanz. Ich bin froh, dass der Lauf zu Ende ist.



nach der steileren Passage verläuft der Weg dem Gletscher entlang.
Schlecht sieht er aus... Leider

einmaliges Lauferlebnis auf dem Eis!





Das war viel härter als erwartet. Es hat sich nicht nur viel langsamer angefühlt, sondern mit 4h06 war ich wirklich mässig schnell unterwegs. Schade. Dennoch empfehle ich diesen Lauf jedem Lauf- und Bergfreund. Vom Start im Dorf bis zum Ziel auf fast 3'000m.ü.M. bietet er viel Abwechslung, der Weg über den Gletscher ist sicherlich eine Seltenheit und wer weiss, wie lang das noch möglich ist...
phu... bin froh, endlich im Ziel zu sein.