superbes Faulhorn

22.09.2018
dafür musst du nur raus gehen. Es kostet nichts und gibt so viel.



Mal wieder bin ich unschlüssig, denn ich habe schlichtweg zu viele Routen im Kopf und dennoch nichts konkretes. So starte ich erst um 11:45 Uhr in Wilderswil. Wohin es geht? Zum Faulhorn. Höchstwahrscheinlich. Auf den Wanderwegapps habe ich verschiedene Wege gesehen und wo möglich passe ich mein Ziel meinem Befinden an. Aber das Faulhorn, immerhin auf 2'680m.ü.M. gelegen, klingt doch richtig gut.

In Wilderswil geht es gleich bergaufwärts in den Wald, die Steigung ist konstant. Ein netter Waldweg, auf dem ich einzig zwei Wanderern begegne. Ich starte eher gemütlich, habe ich doch noch einen ziemlichen Weg vor mir. Der obere Teil verläuft zickzack, drei oder vier Mal sieht der Weg absolut identisch aus. Mir gefällt es. Dann kreuze ich die Geleise der Bahn auf die Schynige Platte. Da war ich, so glaube ich, als Kind mal oben. Lange ist es her. Das Ende des Waldes naht und ich halte kurz. Etwas enttäuscht bin ich, als mir das GPS sagt, dass ich bis zur Schynigen Platte einiges mehr vor mir habe, als ich erwartete. Dafür entschädigt der Blick auf den Brienzer- und Thunersee. Die Weitsicht ist sehr gut. WWW: Wasser lassen, ein Wow für die Aussicht und weiter geht's.
Waldweg von Wilderswil auf die Schynige Platte

Hallo Brienzersee, hallo Augstmatthorn

Blick auf Thunersee, Niesen, Stockhorn und Niederhorn



Etwas später nerve ich mich, von hinten kommt ein Trailrunner, der mich überholt. Zwar ist er nur wenig schneller, dafür konstant und ich muss ihn passieren lassen. Ich erreiche nach 1h38 die Schnyige Platte, halte da für ein paar Fotos, trinke was und studiere den weiteren Wegverlauf. Ich würde die vielen Touris hierhin schicken, das Panorama übertrumpf ja fast dasjenige der kleinen Scheidegg! Ich ahne schon, der nächste Abschnitt wird richtig toll, den der Wegverlauf ist von weitem zu sehen und äusserst vielversprechend dem Loucherhorn entlang. Die Kontur dieses Bergs ist toll. In einer Kuhherde geht so ein Vieh auf mich los, obwohl ich ruhig, langsam und dieses Mal ohne leuchtfarbene Bekleidung daran vorbei gehe. Ich weiche aus, sie lässt mich. Phu. Auf einem kleinen Übergang halte ich noch an, rechts bietet sich mir Seeblick vom Feinsten, links zeigt sich nebst dem Dreigestirn Eiger-Mönch-Jungfrau auch das Wetter- und Schreckhorn, die Grindelwaldgletscher und Vieles mehr.
ohne Worte

man kann sich hier einfach nicht satt sehen...

Blick zurück auf die Schnyige Platte

Blick auf den weiteren Wegverlauf. Die Vorfreude ist gigantisch



Immer wieder überhole ich kleinere Wandergruppen, die haben alle einen wirklich tollen Tag ausgewählt. Nun geht es einen enorm schönen Weg hinauf, rechts verläuft eine Felswand, die Sägissa, links eine sehr schöne Ebene, die wahrscheinlich von einem früheren Gletscher geprägt ist. Ein absolutes Highlight, so finde ich. Es geht noch ein Stück, dann bietet sich mir endlich der Blick aufs Faulhorn. Noch ist es weit weg, ziemlich weit, immerhin sind es nicht mehr allzu viele Höhenmeter. Der Weg ändert die Richtung, ich sehe schon die Mändelenhütte auf 2'344m.ü.M. Dort halte ich kurz an, die Verschnaufpause habe ich nötig. 1h20 bis zum Faulhorn sagt mir der Wegweiser. Die anschliessende Treppe nehme ich zügig, oben bin ich aber sogleich ziemlich erschöpft. Von hier aus geht es über ein Plateau. Vielleicht ist es keines, ich würde es aber Plateau nennen. Auch dieser Weg gefällt mir seeehr gut. Ich pausiere regelmässig kurz, verschnaufe, mache Fotos, schaue mir die Gegend und die Aussicht an. So langsam sind meine Beine leer, ich bin bei Kilometer 17 und muss den letzten Kilometer marschieren. Es geht noch ein Stück bis zum letzten Anstieg, dann haben die letzten Meter zum Faulhorn begonnen.

bei solchen Höhen und Weiten fühlt man sich klein



Blick auf das Ziel, es geht noch ein ziemliches Stück

Trailrunning at it's best.

Einsamkeit pur.


hier fühle ich mich wohl. Wie es wohl im Winter aussieht?

das Plateau gefällt mir ebenso gut wie die grossartige Weitsicht





der finale Anstieg auf das Faulhorn verläuft links dem Grat entlang


Nach 3h12 bin ich auf dem Faulhorn angelangt, es ist sehr windig hier, das Wetter wird schlechter. Ich friere, meine Kleider sind alle durchgeschwitzt. Im Restaurant verweile ich nur kurz, bestelle Wasser, Ragusa, Wasser, Ragusa und noch ein Wasser. Dann mache ich mich auf den Rückweg, ich muss mich beeilen, will ich doch Abend noch Eishockey schauen gehen. Ich renne los in Richtung Bussalp, drehe mich um für einen Blick zurück. Dann folgt ein etwas mühsamer Weg mit vielen Steinen und Löchern, die richtig zum Stolpern oder zu Mistritten einladen. Für das letzte Teilstück zur Bussalp nehme ich die asphaltierte Strasse. Ab Bussalp geht der Weg über eine Kuhweide hinein in den Wald. Es wird steiler. Hatte ich vorhin hier noch einen Trailrunner hochkommen sehen, kann ich mir jetzt kaum vorstellen, dass da einer hochrennt. Hier liegt viel Totholz, der Wald wurde von einem Sturm verwüstet. Dafür wurde der Wanderweg bestens präpariert, etliche Treppenstufen wurden wohl erst auf dieses Jahr hin neu hergerichtet. Mein GPS zeigt für den vergangenen Kilometer ganze 450 Meter abwärts an... ui. Vorbei an vielen Pilzen verlaufen die letzten Meter über eine landwirtschaftliche Strasse. Huss. Da ich in Burglauenen just den Zug verpasse, renne ich noch ein Stück bis Lütschental.
Faulhorn 2'680m.ü.M.

das schlechter werdende Wetter trübt die Freude kaum

letzter Blick zurück, jetzt geht es nur noch abwärts

das Faulhorn von der Bussalp aus gesehen

teilweise sehr technischer Abstieg nach Burglauenen


Absolute Höchstnoten verdient diese Route über die Schynige Platte zum Faulhorn. Selten gefiel mit ein Weg so gut wie dieser, das verdient ein paar zusätzliche Fotos. Insgesamt war ich 4h30 für diese prächtigen 29 Kilometer und ermüdenden 2'164 Höhenmeter unterwegs. Hola Muskelkater.