Trailrun zur friedlichsten Kreuzung ever - La Jonction, Chamonix Mont Blanc

29.07.2019
Da weckten jüngst ein paar Bilder aus dem Internet so stark mein Interesse, dass der Wecker heute früh klingelt und ich mich auf den Weg nach Chamonix Mont Blanc mache.
was mich erwartet
Wie mancher Blitzer mich erwischt, werde ich in einem späteren Blogintrag mitteilen. Jedenfalls mache ich mich kurz nach der Grenze zu Frankreich noch lustig über die Strasse, deren Unterhalt über-überfällg ist, so bestaune ich wenige Minuten später in morgendlicher Stimmung die schönen Wälder, erhasche einen ersten Blick auf Gletscher und minütlich zeigt sich mehr von den gewaltigen Bergen und deren steilen Wände, die direkt in den Himmel zu ragen scheinen.
guter Start in den Tag
erster Eindruck
Tagesziel in Sicht
Meinen ursprünglichen Plan, von Chamonix weiter ins Tal zu joggen, vergesse ich sogleich. Zu beeindruckend ist der Gletscher, der im steilen Gelände bis tief ins Tal hinunter reicht. Markant. Wo man hinsieht, fährt man hin; diesen Satz lernte ich mal bei der Autoprüfung. So geht es mir heute auch, denn bald bin ich sehr nahe bei eben diesem Gletscher. Hier bringt ein Sessellift die Faulen, die Spätaufsteher, die Alten und die Verletzte hoch. Ja, der Lift ist in die Jahre gekommen. Alles ist bereit, um loszulegen. Der Wegweiser signalisiert 5h10min. Etwas kühl dünkt es mich, so ziehe ich etwas Langes über. Aufgeregt wie ein junger Hund starte ich alsbald das GPS-Ührchen ready ist. Der Beginn des Wanderwegs ist einfach, leicht steigend, ziemlich unspektakulär. Ich überhole erste Wanderer. Zügig unterwegs, erinnere ich mich gelegentlich selbst daran, es gemütlich zu nehmen. Bald erreiche ich das Ende des erwähnten Sessellifts und biege in den Wald ein. Hier erwarten mich nasse Wurzeln, die etwas gschliferig sind. Der Wegverlauf an sich erinnert mich an den Niesen. Etwas weniger steil beginnt es hier. Auch das Höhenprofil ist sehr ähnlich wie dasjenige von Niesen. Es scheint, ich laufe heute am ... warte, jetzt kommts: Chamoniesen. Die Zeit vergeht schnell, ich überhole noch mehr Wanderer, die heute das gleiche Ziel haben wie ich: La Jonction. Die Kreuzung zweier Gletscher. Oder die Teilung eines Gletschers in zwei Teile?! Egal, wir wollen ja hier nicht die Gletscher ehm Haare spalten.
Bald endet der Wald
erster Blick aus der Nähe
eindrücklicher Eisstrom
erste Eindrücke
Im Zickzack erhasche ich bald bei einem Zick(Zack) den ersten Blick auf den Gletscher. Das wars dann mit Ich-mache-das-heute-ohne-Pause. Fotostopp. Einzelne Passagen wie rutschige Treppen oder abschüssige Stellen mit losem Untergrund sind grundsätzlich unkritisch. Fehlende Geländer und ein Pfuderi wie ich sind eine gefährliche Konstellation. Konzentration also. Direkt nach einem Berghäuschen nimmt die Steilheit zu, ich ziehe es durch mit Joggen. Geht knapp noch, ausser natürlich bei hohen Absätzen. Ein (Zick)Zack später zeigt sich mir ein anderer Gletscher, verzeiht mir die fehlende Angabe dessen Namens. Ich kann sie schlecht lesen, die französischen Hieroglyphen. Aus Chuderwäutsch. Der Wald ist nun passé, nach einer kurzen Passage abwärts verläuft der Weg nun in wunderbarer Landschaft mit Sträuchern, saftigem Gras und dauerhaftem Blick auf das un-ewige Eis. Der Trailrunner vor mir pausiert kurz, bevor ich ihn eh gefressen hätte. Dann nähere ich mich seitlich dem Gletscher und bestaune die eindrücklichen Eismassen. Ich ahne, bald oben zu sein. Beim Weitergehen benötige ich gelegentlich die Hände, um ebenso sicher wie zügig die hohen Tritte und Felsen zu queren. Langsam geht mir die Puste aus. Die letzten Meter verlaufen über Geröll und Blockgelände. Ja, ziemliche Blöcke, schau dir das Bild an ;-) Gefällt mir.

Blöcke, oder?!
etwas mühsames Gelände, vor allem bergab
Wegen den Fotostopps ist der Trailrunner 20 Sekunden vor mir oben, schade und egal zu gleich. Ich benötigte netto 1h55, etwas länger als erwartet, es ginge auch noch schneller. Was sich mir auf 2'589m.ü.M. für ein Ausblick bietet, übertrifft alle Erwartungen. Der Gletscherstrom scheint direkt auf mich zuzukommen, teil sich nur einen Meter vor mir links und rechts auf und fliesst weiter ins Tal hinunter. Gewaltige Eismassen so weit das Auge reicht. Ich weiss gar nicht, wo hinsehen, alles scheint hier so eindrucksvoll. Der Gletscher scheint sich bis nach oben zu ziehen zum Mont Blanc. Das Eis, so wild es ist, hat auf die Besucher eine beruhigende, vielleicht sogar demütige Wirkung zu haben. Auf mich jedenfalls schon. Die meisten, wie ich, schauen sich das Ganze zuerst mit eigenen Augen an, bevor der Griff in die Hosentasche folgt, um Schnappschüsse zu machen. Wie kann ein so mächtiger, massiver Gletscher gleichzeitig dermassen sensibel sein?

ich bin beeindruckt

ein paar Meter, dann kehre ich um
irgendwann ist es Zeit zu gehen...
Ein kurzer Abstecher aufs Eis ist dann ein absolutes Muss, so machen es Viele. Auch Bergführer mit Kunden. Viele, ja viele, denn nun füllen sich die Plätze wie in einem Kinosaal. Okay, ich verbringe gegen zwei Stunden hier, mittlerweile sind halt viele oben. Unmittelbar links, der nächste Hoger in dieser enorm steilen Bergwelt, thront die Infrastruktur auf der Aiguille du Midi. Hier kann man von 1'020m.ü.M. mit der Seilbahn bis auf 3'842m.ü.M. hinauf. Eindrücklich, was der Mensch alles ver- und bebaut.
Aiguille du Midi
Ich verweile also einiges länger als geplant. Schliesslich will ich diese Aussicht gebührend auskosten. Es scheint, die Eismassen wirken noch mächtig und kräftig, so wie sie es anderorts selten noch tun. Das leuchtende Eis mitten in einer Landschaft umgeben von Grün und Grau, irgendwie unrealistisch.




Zuerst gemütlich über das Geröll, dann zügiger über einfacheres Gelände bin ich irgendwann auf dem Rückweg. Auch hier sind ein paar Fotostopps drin. Just beim Fotografieren höre ich ein seltsames Geräusch, sehe einen Läufer weiter oben, der etwas besorgt einem fallenden Stein zusieht. Irgendwelche Zurufe, ich verstehe sie nicht, bin aber auch nicht in der Flugbahn des Steins, gelten demjenigen weiter unten. Kleine Schrecksekunde. Keine Ahnung wie man ein solches Ding auslösen kann hier auf dem genügend breiten Wanderweg. Man muss den Stein schon fast werfen. Weiter im Text.
auf der Moräne, im Hintergrund wäre Chamonix (Betonung auf Grund)
zügig auf dem Rückweg.
Der Läufer holt mich bald ein und ich eine Gruppe Spanier. Oder Mexikaner. Sie wollen und können mich anscheinend nicht vorbei lassen. Der Weg wäre breit genug, wenn man denn Platz machen will. Also gedulde ich mich. Irgendwann lassen sie mich dann durch. Der Läufer, der einen Stein auslöste, - ich nenne ihn Stein-Heini - schwatzt ein wenig mit mir während wir joggen, er will aber nicht vorbei. Bergab ist er schneller, also risikobereiter meine ich. Wo es flach ist oder bei kurzen Gegenanstiegen ziehe ich davon. Er pusht mich ein bisschen, ich gebe es zu. Irgendwann lasse ich ihn vorbei. Etliche Wanderer kommen noch entgegen. Erst kurz vor dem oberen Ende des Sessellifts hole ich ihn wieder ein. Er bedient sich der Maschine, ich meinen Beinen. Eilig nehme ich den Schlussabschnitt in Angriff. So zügig wie heute bin ich wohl kaum noch runtergezottelt. Ein Wanderpaar zieht eine Hummel an der Leine. Einen schwarzen Mops, meine ich. Härzig. Beim Überholen nehme ich eine gehörige Portion Brennnesseln mit, an beiden Beinen versteht sich. Das Brennen überdauert dann meinen Run deutlich.
in der Nähe des "Steinschlags"

Zickzack
Unten angekommen nehme ich Stein-Heini mit nach Chamonix. Dort gönne ich mir ein Croque-Monsieur und ein Crepe (ohne Nutella), erhasche einen letzten Blick auf die Gletscher und düse heim. Fotos habe ich genug, ich hoffe, ich kriege keines von der Hin- und Rückfahrt.
chum i chere eifach um u ga nomau ga luege ;-)
Das waren 1'660 Höhenmeter und 15,2 Kilometer. Ich bin enorm beeindruckt von der Gegend und denke, auch hier komme ich mal wieder hin, auch wenn die Anfahrt leicht länger dauert als Hinweg zu Fuss. Magnifique.

ä bruchte Esu ufder Chatz u Mus

21.07.2019
Die Beine in Bewegung halten, bevor sie verrosten. Macht Sinn, oder? Kurz nach dem Eiger Ultra Trail geht's in Richtung Oberland. Die Zufahrts- und Parkgebühr für die Möntschelealp oberhalb Blumenstein beträgt satte 7 Franken. Aus Protest bediene ich den Automaten nur mit dem Stinkfinger. Die löchrige und wellige Kiesstrasse wäre eher etwas fürs Mountainbike als für einen Seat Ibiza.
super Wanderig
Ich starte mit Manu bei der Möntschelealp. Das Wetter ist wechselhaft, wenn's zumacht, kehren wir halt um. Was mich erwartet, weiss ich nicht so recht, die Region sagt mir wenig. Jedenfalls verlassen wir bald die Strasse, begutachten ein paar junge Kühe beim Faulenzen und nehmen die Steigung in Angriff. Können Kühe glücklich sein? Mit dieser Frage setze ich mich ein andermal auseinander. Auf einem kleinen Tanndli vergnügen sich über ein Dutzend Schmetterlinge. Oh schön.


Wetter bim Start = so lala

Wätter wird besser
 
s hei nume paar wenigi vor d'Linse wöue 
Zügigen Schrittes überholen uns zwei Wanderer, die haben vermutlich keine 51km von gestern in den Beinen ;-) Jedenfalls macht das Wetter geng wie besser mit. Die Abzweigung zum Stockhorn lassen wir aus, erst oben auf einer Anhöhe erkenne ich, wie nahe wir denn eigentlich am Stockhorn sind. Tolles Gelände für Trailrunner. Das sehen auch andere so, die effektiv im Laufschritt entgegenkommen. Durch typisches Voralpengelände nimmt der Anteil Stein und Fels zu. Eine wunderbare Wanderlandschaft zeigt sich hier oben.

Voralpegländ

Voralpegländ

Wägverlouf nach Abzweigig Stockhorn bzw. Richtig Möntschelespitz
Einen begehbaren Felsen, gegen 20m hoch mit Schweizerflagge ausgestattet, nehme ich als geeigneten Rastplatz ins Visier. Ein kurze Kraxelei später erwartet uns ein, nein DER Proviant, bei mir ist es das übliche Linzertörtli, das meinen Magen beglückt. «Chatz u Mus» heisst das Güpfi, auf dem wir auf 1'901m.ü.M. pausieren. Den Namen lesen wir zufälligerweise, gelesen hatte ich schon davon, unscheinbar liegt das Güpfi direkt am Wanderweg und ich vermute, man verpasst es wohl gerne, «Gipfel»flagge hin oder her.
ä bruchte Esu ufder Chatz u Mus

pöisele u proviäntle

s het no meh

Ussicht zum Stockhorn
Auf einfachem Gelände führen bzw. laufen wir unserer Wanderung fort. Auf einen flachen Abschnitt folgt nochmals eine Steigung, deren Ende unser Tagesziel kennzeichnet, der Möntschelespitz auf 2'021m.ü.M.
Astieg zum Möntschelespitz


Möntschelespitz

Fröidegump ;-)

Poser
Eine längere Fotosession und ein knapper aber anrüchiger Gipfelbucheitrag später geniessen wir die Aussicht, bevor wir uns auf den Rückweg machen. Bei abnehmender Schönheit und zunehmend nervigem Flugverkehr (Bremsen, Mücken und Fliegen) juckt es mich überall. Ich versuche mich vergeblich an einem Schnappschuss eines Hummels, sie gefallen mir sehr, sehen sie doch aus wie fliegende Möpse.
Guggugg Chäfi

Flora


Flora
Kurz vor Abschluss dieser wunderbaren Sonntagsnachmittagswanderung schauen wir uns an, wie ein Kalb an seiner Mama nuckelt, finden grossen gefallen an einem kleinen Häuschen und posen auf einem abstehenden Felsen.
längt knapp zum Durst lösche

das Hüttli choufi mir
Die 9 Kilometer und 717 Höhenmeter waren für meine gebrauchten Beine genau das richtige für heut', merci Manu! Toll ausgesucht. Und richtig charmat ist sie auch, diese Gegend hier. Ich komme wieder.
sinnbiudlech für die Wanderig

ufem Rückwäg, Blick ufe zum Hohmad

Poser die Zweite
Auf dem Rückweg erfreue ich mich zwei herzigen Eseln, die sich offenbar über etwas Gesellschaft eines Gleichgesinnten freuen.
Glichgsinnti



http://out.ac/dmPyr

Eiger Ultra Trail 2019 E51

20.07.2019
Da stehe ich also um 6:45 Uhr im Dorf Grindelwald und warte auf den Startschuss. Dass ich überhaupt am Start stehe, ist pures Glück. Der gigantischen Nachfrage wegen waren die Startplätze innert 3 Minuten vergeben, die lange vergebliche Suche nach einem übrigen Startplatz endete erst spät. So kaufte ich einem Läufer aus Hong Kong sein E51-Ticket ab. Geniessen und vernünftig bleiben, so lautet das heutige Credo. Ich hatte es versprochen, liegt der letzte Lauf doch erst zwei Wochen zurück. Mit einer Zielzeit von 8 Stunden wäre ich zufrieden. E51 steht für die zweit längste Distanz mit 51 Kilometern und 3'100 Höhenmetern hinauf und wieder runter. Für viele stellt der Eiger Ultra verständlicherweise das ultimative Saisonhighlight dar.
Blick zurück zum Eiger
Ich starte weit hinten, eher super-gemütlich als gemütlich. Mein erstes Bild vom Eiger Ultra war übrigens jenes, wo Läufer zu sehen sind, die in der Dunkelheit mit Stirnlampe aus dem Dorf sprinten. Bei Dunkelheit starteten allerdings nur die Läufer der 101km-Distanz. Schweren Rucksackes trabt der Tross aus dem Dorf. Bereits nach rund zweieinhalb Kilometern ist die erste ungewollte Pause fällig, da eine Verengung über eine Brücke zu Stau führt. Bald weicht der Asphalt dem Wanderweg in Richtung Wetterhorn/Ischpfad. Hier trottet man in der Schlange hintereinander her, überholen ist möglich, bringt vermutlich Unbeliebtheit mit sich. Wie ein Tazzelwurm schlängeln oder wurmen sich die Läufer die erste Steigung hoch zum Ischpfad. Besonders Genervte überholen spätestens bei der ersten Abwärtspassage und geben die angestaute Energie in Form eines Zwischensprints frei. Gelegentlich kreuzen wir die Strasse, wo nebst der morgendlichen Ruhe selbst bei einer Läuferschar wie dieser ungewohnte Stille herrscht. Das Surren des Elektromotors eines Bikers klingt jetzt ähnlich irritierend wie eine Mücke im Schlafzimmer. So erlebe ich den Sonnenaufgang kurz vor der Grossen Scheidegg, die ich überaus locker marschierend nach rund 1h30 erreiche. Der erste Ausbruch von Anarchie am Foodstand kommt erwartet, schliesslich wollen heut' ja alle Erster werden. Zwischenzeitlicher Rang: 151.
kurz vor dem Start


Tazzelwurm
Wetterhorn
Sonnenaufgang kurz vor der Grossen Scheidegg
Bananisiert lege ich an Tempo zu, der gering ansteigende Trail zur First lädt regelrecht zum Tempo machen ein. Da bietet sich mir die Gelegenheit zum Auf- und Überholen. Hier zeigt sich die Herkunft des Namens meiner heutigen Distanz: E51 Panorama Trail. Wetterhorn, Schreckhorn, EMJ und Vieles mehr sind ständige Begleiter und bleiben es auf der gesamten Strecke. Wow! Nach 2h13 erreiche ich die First, hier warten die ersten Begleitpersonen, Zuschauer und Wanderer. Der First Cliff Walk, ein Steg mit Nervenkitzelgarantie (propagiert jedenfalls das word wide web), nimmt der eilende Läufer wortwörtlich beiläufig wahr. Heute wird alles gerannt, was flach ist, da bleibt wenig Aufmerksamkeit für Attraktionen. Credo hin oder her. Am Foodstand verpflege ich mich selbstverständlich vorausschauend.

Trail zu First






Trail zur First

Nun hole ich erste Läufer des Hunderters ein. 101 Kilometer absolvieren andere also, beeindruckend, auch wer scheitert verdient höchsten Respekt. Unsicher über das Höhenprofil zücke ich mal mein Smartphone. Meist flach, minim bergauf und einiges bergab soll die Strecke verlaufen. Das ermöglicht wiederum zügiges Joggen. Mit zügig meine ich hier relativ im Verhältnis zur noch ausstehenden Gesamtstrecke. Beim kleinen Bruder des Bachalpsees bietet sich mir die Möglichkeit eines sich im See spiegelnden Schnappschusses vom Schreckhorn. Toll. Live wirkt es übrigens eindrücklicher als fotografiert. Es folgt eine Steigung mit zwei engen Passagen, die wiederum zu Stau führen. Das Faulhorn kennzeichnet etwa die Hälfte der Strecke, wobei bis dorthin die meisten Höhenmeter absolviert sind. Es wäre allerdings zu einfach, vom Bachalpsee direkt zum Faulhorn hinaufzusteigen. So verläuft dann eben die Strecke zuerst hinunter zum Oberläger. Dieser Weg ist Neuland für mich. Felsig und dementsprechend technisch gefällt mir dieser Abschnitt enorm. Insgesamt verdient die Strecke bis dahin absolute Höchstnoten. Nach 3h09 erreiche ich den Oberläger/Feld. Der Verpflegungsposten ist hier in einem Stall untergebracht. Wie sie den Stallgeruch so authentisch hingekriegt haben, ist mir ein Rätsel. Auf jeden Fall gefällt mir die Idee. Mal etwas anderes.
 
schrecklich schönes Schreckhorn

interessanter Weg zum Oberläger
Die Steigung zum Faulhorn hinauf ist sozusagen das Filletstück. Hier versuche ich meine Pumpe und Beine bestmöglich zu schonen. Es gelingt mir eigentlich gut. Ich könnte schneller. Da liegt die einer oder andere Text- und Sprachnachricht drin, z. B. an Räphu, der auf der anderen Talseite gerade die Schwalmere befleckt eh besteigt. Kurz gesagt, es geht einfach bergauf. Erst gegen Ende der Steigung überholen mich E51-Läufer, ich hätte erwartet, mehr zurückzufallen. So passiere ich nach 4h16 das Faulhorn auf 2'681m.ü.M. Ich freue mich, ist bisher alles so reibungslos verlaufen. Vermutlich im Delirium denke ich flüchtig darüber nach, gelegentlich mal über einen Hunderter nachdenken zu wollen. Da Nachfüllen nur für den Becher erlaubt ist und nicht für den verschliessbaren Beutel, stoppe ich einige Minuten. Das zweite Linzertörtli wartet bereits auf sein Schicksal.
Faulhorn bald erreicht
Ich mache mich auf den Weg hinunter zur Schynigen Platte. Gegen 12km sollen es sein. Entgegen meiner Erwartung und Erfahrung zeigt sich der Trail als steinig und weniger geschmeidig. Ich gedulde mich eine Weile, bis ich das Tempo steigere. Hier überhole ich viele 101km-Läufer, gelegentlich passieren mich direkte Gegner, was völlig okay ist. Anders als in der Gegenrichtung nehme ich den Weg nun als schön, nicht aber als hochlobend fantastisch war. Vielleicht liegt es am Panorama, das statt im direkten Angesicht nun eher mit verrenktem Blick zurück zu sehen ist. Insgesamt beansprucht es ganze 7km, bis ich das Linzertörtli gegessen habe, häppchenweise versteht sich, mit Wasser verdünnt versteht sich, appetitlos versteht sich. Ein weiterer Miniposten nutze ich fürs Trinken. Mit gefühlt leerem Magen nähere ich mich der Schynigen Platte, jetzt freue ich mich auf eine Banane. Vom Linzertörtli ist nichts mehr zu spüren. Zeitweise noch spritzig selbst bei kurzen Gegenanstiegen, geht mir langsam aber sicher die Kraft aus. Getrunken habe ich genug, gegessen lange auch, wobei ich eben schon 5h50 unterwegs bin und vermutlich mehr Energie hätte zufuhren sollen. Die erhoffte Banane lässt dann auf sich warten, denn bei der Schynigen Platte ist der ersehnte Foodstand nur eine Fata Morgana. Das hatte ich anders in Erinnerung. Henusode. Immerhin beginnt der Abstieg.
Männdlenhütte, bedeutend weniger Schnee als vor drei Wochen

Pausieren tut gut
Die steigende Temperatur spüre ich nun gut. Mir vergeht langsam die Lust auf stilles Wasser. Ein weiteres Dilemma: Hunger und Appetitlosigkeit zugleich. Über Naturstrasse und Wiesen verläuft der Abstieg zum Checkpoint Schwand. Hier bratet die Sonne enorm. Viele nutzen den Schatten eines Gebäudes, pausieren eine Weile und Hintersinnen sich wohl über den Sinn und Zweck eines solchen Laufes. Ich gönne mir ein Kilo Orangen, frisches und vor allem kühles Wasser. Ein paar Pringles und Bouillon helfen auch. Ein Wasserschlauch sorgt für willkommene Abkühlung. Unverkennbar beginnt nun für viele Läufer die Phase des Leidens. Bei mir geht's eigentlich gut, Hitze und eben der leere Magen sind während der Betätigung stets mühsame Gegner. Bis hinunter nach Burglauenen verläuft der Wege eben bergab. Vermutlich bin ich noch nie so viel abwärts gerannt wie heute. Ehrlich. Über Wiesen und später durch den Wald ist der Wegverlauf richtig abwechslungsreich. Ein Gegenanstieg von geschätzten 200 Höhenmetern quält dann auch diejenigen, die zwischenzeitlich locker flockig an einem vorbeirauschen. Ein abenteuerlicher Weg, so denkt jedenfalls der müde Läufe, verläuft an einer Felswand vorbei über einen schmalen und schiefen Steg. Nun sind bereits die Lautsprecher des Checkpoints in Burglauenen zu hören, den ich nach ca. 7h16 erreiche.
endlich...
44,4 Kilometer sind geschafft. Ich belächle und verwerfe im gleichen Masse meinen anfänglichen wenn auch überaus flüchtigen Gedanken für die Teilnahme an einem 100km-Lauf. Die brütende Hitze plagt mich sogar bei der Rast auf dem Sportplatz. Elend. Ich trinke und brunze, werfe einen Gel und anderen Food rein. Dann warten die letzten rund 7km auf mich. Überrascht davon, noch joggen zu können, geht's in den Wald hinein. Eine Pace von rund 6min pro Kilometer ist einerseits ernüchternd, anderseits treffe ich Läufer im Spaziergang an. Jetzt macht es mir noch weniger aus, überholt zu werden. Ausserhalb des Schattens leide ich sehr. Sei die Steigung noch so gering, schwinden die Kräfte. Über Asphalt, ich meine irgendwo sogar über eine neu asphaltierte Strasse zu joggen, drückt die Hitze selbst von unten. Strub. Würklech. Nun lässt meine Pace stark nach, ich sehne mich nach Kilometerangaben. Nach Grindelwald Grund erwähnt ein Streckenposten eine Restdistanz von 2,5km. Was mit frischen Beinen nach nullkommanichts klingt, drückt nun aufs Gemüht. Die kurze Zwischensteigung nehme ich eher trödelnd in Angriff. Noch einmal flach und leicht bergab erreiche ich die 50km-Signalisation. Endlich. Ich fotografiere sie zwecks Motivation (für ein andermal). Die nächsten etwa 50-100m flach spaziere ich, darauf folgt eine Steigung über geschätzte 300m. Die Hitze und Erschöpfung plagen mich jetzt mehr denn je. Ich pausiere. Dann zottle ich übers Gras in der Hoffnung auf weniger Abwärme als auf dem Asphalt. Nun überholt mich tatsächlich noch mein heutige Enemy. Einer mit zu engen Hosen, der mich früh morgens schon nervte, quittiert mein stilles Leiden mit "brutal". Nur wenige Meter, dafür viel Zeit später kühle ich mich an einer Gartenschlauchdusche ab. Dann entdecke ich die Dorfstrasse, aktiviere nochmals meine Beine und laufe in den Zielbereich.

Zieleinlauf



Nach 8 Stunden und 10 Minuten finishe ich den Eiger Ultra Trail E51. Es ist mein elfter Marathon, mein siebenter Ultramarathon. Alle Finisher erhalten als Medaille ein Stück Eiger-Felsen. Tolle Idee! Im Ziel brauche ich eine gute halbe Stunde, dann bin ich wieder repariert. Die erhoffte kalte Dusche muss dann warten, weil im Eisstadion überraschenderweise nur Warmwasser rauskommt. Huss. Der Sieger des 101km läuft übrigens kurzum nach mir ins Ziel, absolut unglaublich diese Leistung. Und der Typ sieht noch knusprig aus als wäre er eben erst aufgestanden.

ein Stück Eiger. Meins.

Fazit: der Eiger Ultra Tail verdient Höchstnoten. Der Streckenverlauf und das Panorama sind hervorragend. Ich könnte mehr über die Strecke schreiben, doch empfehle ich, sie einfach selbst zu begehen (die letzten 6km klammere ich jetzt mal aus). Mit meiner Leistung bin ich summa summarum zufrieden. Die Steigungen ging ich passiv an, die flachen Abschnitte absolvierte ich in einem vernünftigen Pulsbereich. Trotzdem war der Spassfaktor hoch. Abwärts zog sich die Strecke mehr als erwartet. Der letzte Kilometer, vermeidlich ein leichter, war enorm anstrengend, so wie ich es noch kaum erlebte. Schlussrang 73. Es gibt wahrlich noch mehr darüber zu schreiben, aber we don't live in the past, huh. Ultra geil der Eiger Ultra Trail.
Summary