Ultramarathon Gornergrat Zermatt 2019

06.07.2019
45'595m Distanz, 2'458m ambrüf, Ziel auf 3'098m.ü.M.
Zum dritten Mal laufe ich durchs Mattertal. Hier hat schliesslich alles begonnen: 2017 quälte ich mich - superkurzfristig angemeldet - von St. Niklaus auf den Gornergrat hinauf. Nach leichtem Schneefall im 2017 und prächtigem Sommerwetter 2018 ist dieses Jahr wieder Schönwetter und Hitze angesagt. Mal schauen, wie's kommt... Jedenfalls koche ich um 4 Uhr morgens meine Teigaffen, mische sie mit Nutella und mache mich auf den Weg vo Bääre is Wallis.

churz dehne, trinke u när witer

Ich habe genügend Zeit eingeplant für die Anreise. Häufig ist das anders, deswegen klopfe ich mir schon ein erstes Mal auf die Schulter. Bravo Päscu! Um 08:38 starten die Ultraläufer. Die ersten drei Kilometer aus dem Dorf hinaus verflüchtigt sich die flotte Stimmung der Zuschauer, denn etwas ausserhalb schläft das Tal noch. Und auch sonst wäre hier wenig los. So ein paar Erklärungen für meine eingerosteten Beine habe ich schon, habe ich doch in den letzten Wochen Nachtschichten gehabt wegen Weiterbildung, mich wie immer übel ernährt und wenig sowie schlechter Schlaf hilt dann auch nicht wirklich. Jedenfalls braucht es eine Weile, bis ich so ab Kilometer 8 denke ich, es läuft heute gar nicht so schlecht. Die effektive Temperatur ist mir unbekannt, die Wärme ist ämu gut zu spüren. Vor der Ortschaft Randa fürchte ich mich immer ein wenig wegen eines grossen Loches in der Felswand. Entweder handelt es sich um einen Stollen, wo gelegentlich etwas unbedingt raus will. Oder noch beängstigender, darin wohnt ein riesiger Troll, der unbedingt rein wollte. Item. Seriös wie selten nutze ich jeden Verpflegungsposten für einen Shot. In Täsch würge ich ein Affegnagi runter, es soll nicht das letzte sein für heut'.
Zmorge
Startbereich
alte Strasse nach Zermatt
erster Blick aufs Horu ausserhalb Zermatt
Aus der Ferne ist das Klein Matterhorn und die ersten Gletscher zu sehen. Ebenso ist der letzte Teil der Marathondistanz in Sichtweite, der mühsame Weg entlang der Bahn von der Riffelalp zum Riffelberg. Irgendein Zwang in mir will, dass ich im Tunnel der alten Strasse nach Zermatt alles schnurgerade auf der Mittellinie laufe. Jedes Jahr. Jedes. Offensichtlich habe ich an so einem Lauf viel Zeit zum Nachdenken. So folge ich meiner eigenen Anweisung selbstverständlch, ich will ja nicht umkehren und nochmals einen neuen Versuch starten müssen :-) Jedenfalls verläuft kurz darauf der Weg auf dem Wanderweg der Bahn entlang. Mein Tempo passt mit durchschnittlich etwas um die 5:10min pro Km. Eingangs Zermatt ist die Halbmarathondistanz erreicht, pünktlich dazu meldet sich mein Magen. Komischerweise rebelliert er genau an der selben Stelle wie letztes Jahr. Allerdings verflüchtigt sich die Sache wenig später. Die Stimmung im Dorf ist grossartig, etliche Zuschauer bejubeln die Läufer, Musik unterstützt die Stimmung, Touristen bestaunen die Meute. Da ich gerade in die Schar etlicher Starter des Halbmarathons hineinzottle, muss bei gemächlichem Tempo ein Snickers dran glauben. Ausserhalb Zermatt zeigt sich endlich der Berg der Berge, das Matterhorn. Einmal aus dem Dorf und wieder zurück beginnt nun die Steigung nach Sunnegga. Erstaunlicherweise kann ich hier noch joggen, das ging in den Vorjahren nicht.



gut angekommen in Sunnegga
kurzer Anstieg zwischen Sunnegga und Riffelalp
Nach einem kurzen Stopp überholen mich nun gelegentlich Ultraläufer. Das hatte ich so erwartet. Ich fühle mich gut, dennoch drückt die Hitze. Hani nid gärn. Bei zunehmender Steigung ist es dann vorbei mit seckle. Erst kurz vor Sunnegga flacht der Weg ab, nun plagt mich ein Zucken in den Waden. Es ist schon ein Krampf hier hinauf, aber Krämpfe kann ich schlecht gebrauchen. Irgendwo dort wo der Wolf sein Zuhause nennt, zieht es mir auch noch, gäbig. Es braucht ein Weilchen, bis ich wieder seckle kann. Wie beim MarioKart schlängle ich mich durch die Langsamen und werfe mit Bananenschalen um mich. Einmal dehnen auf Sunnegga und es geht bergab. Auf ein kurze Zwischensteigung folgen weitere Passagen nidsi bzw. flach zur Riffelalp 2'222m.ü.M. Hier mutiere ich langsam zum Affen wegen den vielen Affegnagis. Die Guggenmusik fehlt offenbar auch oder pausiert, auf die freute ich mich. Schade. Jetzt geht nicht mehr viel bei mir, ich versuche noch Wasser und Gels reinzuschütten, komme dennoch kaum vom Fleck. Der Bahn entlang suche ich nach Schatten. Die Skipiste hoch zieht sich richtig, ebenso mühsam wie langsam marschiere ich Schritt für Schritt. Noch immer fühle ich mich eigentlich gut, aus den Beinen kommt schlichtweg wenig.
letzte Meter auf dem Riffelberg
zääihi Sach
Beginn des Ultra-Abschnitts

Der Riffelberg auf 2'582m.ü.M. signalisiert die Marathondistanz. Hier endet der Lauf für die meisten der 2'700 Teilnehmer. Ich pausiere kurz, freue mich auf die eigentlich gute Zeit bis dahin. Dann geht es weiter. Es warten noch 3,4km und 514 Höhenmeter auf mich. Wegen meinem lahmen Tempo schliesse ich innerlich mit dem Lauf ab. Mehr geht heute nicht. Den Blick auf die Uhr spare ich mir so gut es geht, denn der Distanzzähler schreitet demotivierend langsam voran. Beim Rotenboden (2'815m.ü.M.) führe ich meine alljährliche Tradition fort und frage beim spärlich ausgestattetem Verpflegungsposten nach einem Raclette. Gelächter herrscht. «Almost there» bekomme ich von einem Entgegenlaufenden zu hören, der macht sich bereits zu Fuss auf den Rückweg. Auch sehr motivierend.
no hundert Meter bis zum Gornergrat


Ziel erreicht

Ende in Sicht...
Nach 5h53 erreiche ich das Ziel auf dem Gornergrat. Damit bin ich 43min schneller als im Vorjahr, nur 5min schneller als 2017. Ich bin froh, oben zu sein. Ich mag ihn wirklich, diesen Ultralauf, aber ich bin dann irgendwann auch froh, wenn er endet. Die zuerst flache, dann zunehmend an Höhenmeter gewinnende Strecke ist toll, der zusätzliche Teil ab der Marathondistanz hat es immer in sich. Auch wenn es 6 Stunden waren, so geht die Zeit gefühlt sehr schnell vorbei. Für die Anstrengung, etwas Sonnenbrand im Nacken und die Startgebühr bekomme ich nicht nur ein gratis Tshirt, sondern auch ein tolles Alpenpanorama zu sehen. Ruhm und Ehre gebührt schliesslich auch allen Teilnehmern, ob als Erster oben oder verletzt aufgegeben (sagt der auf Rang 117 von 383 overall;-).

Gornergrat




Fazit: Mein zehnter Marathon ist passé. Ich fühle mich hier oben besser denn je. Mit einem schlechten Gefühl gestartet, verliefen die ersten 25km sehr gut. Bis nach Sunnegga ging eigentlich auch gut, die Krampferscheinungen kosteten zwar Zeit, sind wohl auf das etwas zu schnelle Tempo im Flachen zurückzuführen. Ab Kilometer 39 kam der Einbruch, etwas überraschend. Bis zur Marathondistanz lag ich 33 Minuten vor meiner 2018er Zeit, 10 Minuten vor meiner 2017er Zeit. Mit so viel Vorsprung hätte ich ein besseres Finish erwartet. Nachträglich bin ich wirklich sehr erstaunt über meine Leistung im 2017, notabene mein erster Marathon, bei dem die Einteilung noch schwieriger ist und die Form höchstwahrscheinlich schlechter war. Kilometer 42-46 hake ich einfach ab. Es wäre falsch jetzt etwas Negatives darüber zu denken, schliesslich habe ich einen Ultramarathon ohne Verletzung absolviert. Alles in allem hüere güet, oder?! Später merke ich, dass ich den Abschnitt Riffelberg-Gornergrat in der gleichen Zeit von 60min absolvierte wie 2017. Der Zeitverlust passierte von der Riffelalp auf den Riffelberg. Huss.

isch doch besser gange aus oscho...




ändlech ;-)
Im Dorf wartet dann ein Raclette unes Chübeli Zermatterbier auf mich. Spätestens im August komme ich wieder ins Mattertal, dann für den anderen Ultralauf Matterhorn Ultraks. Ach ja, das mit dem Nutella in den Teigwaren war ein Scherz.
10. Marathon geschafft!
Sicht aufs Horu vom Dorfplatz Zermatt


Pascal Saurer
Sunnegga