29.07.2019
Da weckten jüngst ein paar Bilder aus dem Internet so stark mein Interesse, dass der Wecker heute früh klingelt und ich mich auf den Weg nach Chamonix Mont Blanc mache.
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was mich erwartet |
Wie mancher Blitzer mich erwischt, werde ich in einem späteren Blogintrag mitteilen. Jedenfalls mache ich mich kurz nach der Grenze zu Frankreich noch lustig über die Strasse, deren Unterhalt über-überfällg ist, so bestaune ich wenige Minuten später in morgendlicher Stimmung die schönen Wälder, erhasche einen ersten Blick auf Gletscher und minütlich zeigt sich mehr von den gewaltigen Bergen und deren steilen Wände, die direkt in den Himmel zu ragen scheinen.
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guter Start in den Tag |
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erster Eindruck |
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Tagesziel in Sicht |
Meinen ursprünglichen Plan, von Chamonix weiter ins Tal zu joggen, vergesse ich sogleich. Zu beeindruckend ist der Gletscher, der im steilen Gelände bis tief ins Tal hinunter reicht. Markant. Wo man hinsieht, fährt man hin; diesen Satz lernte ich mal bei der Autoprüfung. So geht es mir heute auch, denn bald bin ich sehr nahe bei eben diesem Gletscher. Hier bringt ein Sessellift die Faulen, die Spätaufsteher, die Alten und die Verletzte hoch. Ja, der Lift ist in die Jahre gekommen. Alles ist bereit, um loszulegen. Der Wegweiser signalisiert 5h10min. Etwas kühl dünkt es mich, so ziehe ich etwas Langes über. Aufgeregt wie ein junger Hund starte ich alsbald das GPS-Ührchen ready ist. Der Beginn des Wanderwegs ist einfach, leicht steigend, ziemlich unspektakulär. Ich überhole erste Wanderer. Zügig unterwegs, erinnere ich mich gelegentlich selbst daran, es gemütlich zu nehmen. Bald erreiche ich das Ende des erwähnten Sessellifts und biege in den Wald ein. Hier erwarten mich nasse Wurzeln, die etwas
gschliferig sind. Der Wegverlauf an sich erinnert mich an den Niesen. Etwas weniger steil beginnt es hier. Auch das Höhenprofil ist sehr ähnlich wie dasjenige von Niesen. Es scheint, ich laufe heute am ... warte, jetzt kommts: Chamoniesen. Die Zeit vergeht schnell, ich überhole noch mehr Wanderer, die heute das gleiche Ziel haben wie ich: La Jonction. Die Kreuzung zweier Gletscher. Oder die Teilung eines Gletschers in zwei Teile?! Egal, wir wollen ja hier nicht die Gletscher ehm Haare spalten.
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Bald endet der Wald |
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erster Blick aus der Nähe |
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eindrücklicher Eisstrom |
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erste Eindrücke |
Im Zickzack erhasche ich bald bei einem Zick(Zack) den ersten Blick auf den Gletscher. Das wars dann mit Ich-mache-das-heute-ohne-Pause. Fotostopp. Einzelne Passagen wie rutschige Treppen oder abschüssige Stellen mit losem Untergrund sind grundsätzlich unkritisch. Fehlende Geländer und ein Pfuderi wie ich sind eine gefährliche Konstellation. Konzentration also. Direkt nach einem Berghäuschen nimmt die Steilheit zu, ich ziehe es durch mit Joggen. Geht knapp noch, ausser natürlich bei hohen Absätzen. Ein (Zick)Zack später zeigt sich mir ein anderer Gletscher, verzeiht mir die fehlende Angabe dessen Namens. Ich kann sie schlecht lesen, die französischen Hieroglyphen. Aus
Chuderwäutsch. Der Wald ist nun passé, nach einer kurzen Passage abwärts verläuft der Weg nun in wunderbarer Landschaft mit Sträuchern, saftigem Gras und dauerhaftem Blick auf das un-ewige Eis. Der Trailrunner vor mir pausiert kurz, bevor ich ihn eh gefressen hätte. Dann nähere ich mich seitlich dem Gletscher und bestaune die eindrücklichen Eismassen. Ich ahne, bald oben zu sein. Beim Weitergehen benötige ich gelegentlich die Hände, um ebenso sicher wie zügig die hohen Tritte und Felsen zu queren. Langsam geht mir die Puste aus. Die letzten Meter verlaufen über Geröll und Blockgelände. Ja, ziemliche Blöcke, schau dir das Bild an ;-) Gefällt mir.
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Blöcke, oder?! |
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etwas mühsames Gelände, vor allem bergab |
Wegen den Fotostopps ist der Trailrunner 20 Sekunden vor mir oben, schade und egal zu gleich. Ich benötigte netto 1h55, etwas länger als erwartet, es ginge auch noch schneller. Was sich mir auf 2'589m.ü.M. für ein Ausblick bietet, übertrifft alle Erwartungen. Der Gletscherstrom scheint direkt auf mich zuzukommen, teil sich nur einen Meter vor mir links und rechts auf und fliesst weiter ins Tal hinunter. Gewaltige Eismassen so weit das Auge reicht. Ich weiss gar nicht, wo hinsehen, alles scheint hier so eindrucksvoll. Der Gletscher scheint sich bis nach oben zu ziehen zum Mont Blanc. Das Eis, so wild es ist, hat auf die Besucher eine beruhigende, vielleicht sogar demütige Wirkung zu haben. Auf mich jedenfalls schon. Die meisten, wie ich, schauen sich das Ganze zuerst mit eigenen Augen an, bevor der Griff in die Hosentasche folgt, um Schnappschüsse zu machen. Wie kann ein so mächtiger, massiver Gletscher gleichzeitig dermassen sensibel sein?
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ich bin beeindruckt |
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ein paar Meter, dann kehre ich um |
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irgendwann ist es Zeit zu gehen... |
Ein kurzer Abstecher aufs Eis ist dann ein absolutes Muss, so machen es Viele. Auch Bergführer mit Kunden. Viele, ja viele, denn nun füllen sich die Plätze wie in einem Kinosaal. Okay, ich verbringe gegen zwei Stunden hier, mittlerweile sind halt viele oben. Unmittelbar links, der nächste Hoger in dieser enorm steilen Bergwelt, thront die Infrastruktur auf der Aiguille du Midi. Hier kann man von 1'020m.ü.M. mit der Seilbahn bis auf 3'842m.ü.M. hinauf. Eindrücklich, was der Mensch alles ver- und bebaut.
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Aiguille du Midi |
Ich verweile also einiges länger als geplant. Schliesslich will ich diese Aussicht gebührend auskosten. Es scheint, die Eismassen wirken noch mächtig und kräftig, so wie sie es anderorts selten noch tun. Das leuchtende Eis mitten in einer Landschaft umgeben von Grün und Grau, irgendwie unrealistisch.
Zuerst gemütlich über das Geröll, dann zügiger über einfacheres Gelände bin ich irgendwann auf dem Rückweg. Auch hier sind ein paar Fotostopps drin. Just beim Fotografieren höre ich ein seltsames Geräusch, sehe einen Läufer weiter oben, der etwas besorgt einem fallenden Stein zusieht. Irgendwelche Zurufe, ich verstehe sie nicht, bin aber auch nicht in der Flugbahn des Steins, gelten demjenigen weiter unten. Kleine Schrecksekunde. Keine Ahnung wie man ein solches Ding auslösen kann hier auf dem genügend breiten Wanderweg. Man muss den Stein schon fast werfen. Weiter im Text.
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auf der Moräne, im Hintergrund wäre Chamonix (Betonung auf Grund) |
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zügig auf dem Rückweg. |
Der Läufer holt mich bald ein und ich eine Gruppe Spanier. Oder Mexikaner. Sie wollen und können mich anscheinend nicht vorbei lassen. Der Weg wäre breit genug, wenn man denn Platz machen will. Also gedulde ich mich. Irgendwann lassen sie mich dann durch. Der Läufer, der einen Stein auslöste, - ich nenne ihn Stein-Heini - schwatzt ein wenig mit mir während wir joggen, er will aber nicht vorbei. Bergab ist er schneller, also risikobereiter meine ich. Wo es flach ist oder bei kurzen Gegenanstiegen ziehe ich davon. Er pusht mich ein bisschen, ich gebe es zu. Irgendwann lasse ich ihn vorbei. Etliche Wanderer kommen noch entgegen. Erst kurz vor dem oberen Ende des Sessellifts hole ich ihn wieder ein. Er bedient sich der Maschine, ich meinen Beinen. Eilig nehme ich den Schlussabschnitt in Angriff. So zügig wie heute bin ich wohl kaum noch runtergezottelt. Ein Wanderpaar zieht eine Hummel an der Leine. Einen schwarzen Mops, meine ich. Härzig. Beim Überholen nehme ich eine gehörige Portion Brennnesseln mit, an beiden Beinen versteht sich. Das Brennen überdauert dann meinen Run deutlich.
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in der Nähe des "Steinschlags" |
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Zickzack |
Unten angekommen nehme ich Stein-Heini mit nach Chamonix. Dort gönne ich mir ein Croque-Monsieur und ein Crepe (ohne Nutella), erhasche einen letzten Blick auf die Gletscher und düse heim. Fotos habe ich genug, ich hoffe, ich kriege keines von der Hin- und Rückfahrt.
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chum i chere eifach um u ga nomau ga luege ;-) |
Das waren 1'660 Höhenmeter und 15,2 Kilometer. Ich bin enorm beeindruckt von der Gegend und denke, auch hier komme ich mal wieder hin, auch wenn die Anfahrt leicht länger dauert als Hinweg zu Fuss. Magnifique.